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TITEL
_DEMOKRATIE
personalmagazin 01 / 15
K
ommt die Sprache auf De-
mokratie im Unternehmen,
jagt es manchem Manager
einen Schauer über den Rü-
cken. Für die einen ist es ein wohliger.
Schließlich könnten mittels Partizipati-
on die Innovationskraft und das Enga-
gement steigen. Für die anderen ist es
ein kalter. Zu groß ist die Sorge vor den
Folgen der Partizipation. Da ist es kaum
verwunderlich, dass in den meisten Or-
ganisationen die Neugierde stärker ist
als die klare Anwendungsabsicht. Viele
zeigen sich interessiert daran, wie der
fließende Prozess der Meinungs- und
Entscheidungsfindung aller Akteure
auch bei komplexen Sachverhalten ge-
lingen kann – wir fassen dies unter dem
Begriff „Liquid Democracy“ zusammen.
Im Folgenden belegen wir mit drei Bei-
spielen, dass Liquid Democracy in der
Praxis erfolgreich sein kann. Die Bei-
spiele sind nach ihrer Beteiligungsin-
tensität geordnet. Dabei orientieren wir
uns an den Stufen, die im Buch „Organi-
zational Participation, Myth and Reality“
genannt werden: von „nicht beteiligt“ bis
„eigenständige Entscheidung“.
Beispiel 1: Partizipativer Innovations-
und Strategieprozess in einer Bank
Im ersten Beispiel befinden wir uns bei
einer niedrigeren Intensität der Parti-
zipation – die Meinung der Mitarbeiter
wird berücksichtigt und sie können an
Entscheidungen teilhaben: Die Sparda-
Bank Berlin eG sah sich ähnlich wie
andere Privatkundenbanken mit ei-
ner herausfordernden Marktsituation
konfrontiert. Nach einem Wechsel des
Vorstandsvorsitzenden stellte sich die
Frage, wie sich die Bank strategisch
ausrichten könnte, um die Zukunftsfä-
higkeit zu sichern. Als Antwort wurde
ein partizipativer Innovations- und Stra-
tegieprozess angestoßen.
Der erste Schritt in Richtung der
neuen strategischen Ausrichtung be-
stand bei der Sparda-Bank Berlin in der
Aufstellung eines hierarchieübergrei-
fenden, interdisziplinär zusammenge-
setzten Teams. Zwölf Mitglieder sollten
in dem heterogenen Team die Sparda-
Bank Berlin von Grund auf neu denken.
Die Teammitglieder arbeiteten zum Teil
selbstgesteuert und zum Teil in mode-
riertenWorkshops zusammen. Entschei-
dungen traf das Team gleichberechtigt,
wobei der Vorstand ein Vetorecht besaß.
Resultat war eine Visionspyramide,
bestehend aus der Sparda-Wachstums-
vision, bereits bewährten und neuen
Markenwerten, dem internen Selbstver-
ständnis sowie strategischen Initiativen.
Infolge wurden vier interdisziplinäre
und heterogene Innovationsteams zu-
sammengestellt. Sie arbeiteten daran,
die Vision und Strategie in konkrete
Produkte und Maßnahmen zu überset-
zen. In je sechs Innovationsworkshops
wurden anhand von Kreativmethoden
aus dem „Design Thinking“ und der Me-
thode der Zukunftswerkstatt insgesamt
504 Innovationsideen für Produkte und
Prozesse kreiert, die ganz bewusst aus
der Perspektive von zuvor generierten
Kundentypologien gedacht wurden.
Jenseits der Absichtserklärung
PRAXIS.
Demokratische Ansätze sind für viele nur eine spannende Vision. Doch einige
Unternehmen arbeiten schon auf dieser Basis – firmenübergreifend oder in Projekten.
Von
Matthias Meifert, Ruth Lassalle
und
Daniel Reichert
Die Sparda-Bank Berlin hat in einem partizipativen Prozess ihre Zukunftsvision erstellt.
© SPARDA-BANK BERLIN EG