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MANAGEMENT
_SERIOUS GAMES
personalmagazin 03 / 15
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Heike Braun und ihr Team forcieren
das spielerische Lernen. Allerdings darf
„der Inhalt nicht hinter dem Spielen
zurückstehen“, so Braun. „Der Wissens-
gewinn ist entscheidend.“ Dazu nicken
zwar die Weiterbilder. Doch für die Spie-
ler ist die Pädagogik Nebensache.
Spiele mit Super-Mario-Prinzip
Das Unternehmen Bajaj Allianz in In-
dien hat ein bilder-wildes Spiel entwi-
ckelt. „The Hunt For Shalimar“ ist Teil
einer „Leadership Circles“-Initiative
der Allianz-Tochter. Das virtuelle Team
sucht den Diamanten Shalimar, die ge-
fährliche Reise startet im Himalaya.
Reisen bildet – auch bei SAP-„G-Lear-
ning“. Dreh- und Angelpunkt ist eine
Weltkarte, in der die Lerninhalte hinter
Städtenamen versteckt sind. Der Spieler
steuert mit dem Flugzeug Orte an. „Das
Prinzip ist von Super Mario bekannt,
der ja auch hin- und hersaust“, erklärt
Innovationsentwickler Philipp Herzig.
„Die Motivation bleibt hoch, weil ich die
anderen Teilnehmer bei ihrer virtuellen
Reise sehen oder mich mit ihnen aus-
tauschen kann. Im Ranking nach oben
zu rutschen, ist für viele Teilnehmer
eine hohe Motivation.“
Das funktioniert auch bei Topmana-
gern. Oliver Greiner, Berater beim Ma-
nagementberater Horváth & Partners in
Stuttgart, hat schon Business Wargames
in Konzernen eingesetzt. „Neuartiges
entsteht durch neue Blickwinkel“, sagt
Greiner, der die Spiele vor allem dann für
ein gutes Instrument hält, „wenn alle Teil-
nehmer auf eine gemeinsame Haltung
eingeschworen werden sollen.“ Die Soft-
ware bringe den Informationsfluss voran,
sichere die Qualität und Dokumentation
und erleichtere die Wiederaufbereitung
der durchgespielten Themen. Allerdings
empfiehlt er Wargames nur für wichtige
Entscheidungen. Fünf bis zehn Gruppen
mit drei bis sechs Leuten spielen ge-
geneinander. Die möglichen Reaktionen
auf einen Anstoß im Spiel – etwa der
öffentliche Verriss einer Vorstandsent-
personalmagazin:
Warum lassen Personaler
besonders Bewerber immer öfter spielen –
früher off- und heute online?
Martin Kersting:
Sie wollen damit Verhal-
ten provozieren. Das Assessment Center
für kommende Führungskräfte, in dem
bestimmte Arbeitssituationen für die
Stellenbewerber simuliert wurden, war
früher schon ein Labor fürs Leben. Heute
ist es die virtuelle Welt, in der sich Kan-
didaten bewähren sollen.
personalmagazin:
Sie klingen nicht über-
zeugt.
Kersting:
Strategiespiele ersetzen häufig
nur die zwar befremdlich wirkenden,
aber genaueren Intelligenztests. Ledig-
lich die Testangst wird geringer, weil das
Spielen dem Kandidaten Spaß macht.
personalmagazin:
Können Personalchefs
denn mit Online-Spielen die einzelnen
Bewerber tatsächlich besser einschätzen?
Kersting:
Eben nicht. Man erhält bei Spie-
len keine eindeutigen Werte – außer
beim Schach, wo ein Spieler am Ende
matt ist. Oft wissen die Teilnehmer gar
nicht, was bei einem Bewerbungsspiel
wirklich entscheidend ist: das Tempo,
der Weg, die Lösung? Und die Ergebnisse
sind aufgrund der Dynamik eines Spiels
nicht vergleichbar. Damit scheitern Spie-
le häufig schon an der geringsten Hürde
für seriöse Auswahlmethoden – der Ob-
jektivität. Außerdem mangelt es an Vali-
dität und Zuverlässigkeit. So schneiden
einzelne Personen bei einer Testwieder-
holung mitunter ganz anders ab als beim
ersten Versuch.
„Klare Kriterien“
INTERVIEW
Professor Martin Kersting erläutert, was Recruiting-Spiele jenseits des Spaßfaktors mit-
bringen sollten, damit Personaler sie in der Eignungsdiagnostik einsetzen können.
Das Interview führte
Ruth Lemmer.
personalmagazin:
Lehnen Sie also Compu-
terspiele für die Personalsuche ab?
Kersting:
Nein. Es ist wie bei allen Tests.
Man muss vorher festlegen, welche Ei-
genschaften und welches Können wichtig
sind. Genau das muss man dann messen
und interpretieren. Und es muss gewähr-
leistet sein, dass nicht Zufälle, sondern
die Fähigkeiten des Spielers darüber
entscheiden, ob er die Jobzusage erhält.
Denn Zufallselemente sind der Tod jeder
seriösen Diagnostik. Es spricht nichts
dagegen, spielerische Werkzeuge im Rah-
men der Eignungsdiagnostik einzusetzen
– aber der Spaßfaktor ist kein Ersatz, son-
dern er ist ein Extrabonbon zu den Krite-
rien Objektivität und Zuverlässigkeit.
PROF. MARTIN
KERSTING
ist Pro-
fessor für psycho-
logische Diagnostik
an der Justus-Liebig-
Universität Gießen.