Seite 26 - personalmagazin_2015_03

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TITEL
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 03 / 15
T
raditionell gilt in Deutschland
eine Arbeitszeit von fünf Tagen
à acht Stunden, da hat auch die
Einführung der 35-Stunden-
Woche nichts geändert. Doch ist dieser
Ansatz wirklich unumstößlich? Als Ar-
gument für die 40-Stunden-Woche wurde
oft angeführt, sie erlaube, in wirtschaft-
lich schlechten Zeiten die Arbeitszeit zu
erhöhen, ohne die Löhne entsprechend
anzuheben. So wurden die Stundenlöhne
indirekt gesenkt. Wirtschaftlich ist das
aber nur, wenn auch tatsächlich 40 Stun-
den pro Woche produktiv genutzt werden
und keine Leerzeiten entstehen. In Zeiten
mit schwankenden Auftragslagen ist dies
gerade in Verbindung mit starren Schicht-
plänen aber eher unwahrscheinlich. Zu-
dem erlaubt das Arbeitszeitgesetz bei 40
Stunden die Kapazitätsanpassung nach
oben nur noch sehr begrenzt.
Jahresarbeitszeit schwer umsetzbar
Um bei immer stärkeren Konjunktur-
schwankungen und kurzfristigen Auf-
tragsschwankungen Personal flexibel
einsetzen zu können, wird immer öfter
auf Jahresarbeitszeitsystematiken zu-
rückgegriffen, die bei Bedarf schwan-
kende Wochenarbeitszeiten ermögli-
chen. Die Schwankungsbreite muss
hierbei allerdings unterjährig ausgegli-
chen werden, um eine zu große Abwei-
chung vom Soll auf dem Arbeitskonto
am Jahresende zu vermeiden. Dies ist
faktisch jedoch oft kaum möglich. Wird
beispielsweise bei einer 40-Stunden-
Woche wegen schlechter Auftragslage
vier Wochen lang nur 25 Stunden ge-
acht Wochen lang 48 Stunden gearbeitet
werden. In Phasen, in welchen die Be-
darfssituation stärker abweicht, müssen
also entweder für Zusatzkapazität be-
zahlt oder Leerzeiten akzeptiert werden.
Vergleich der Schichtplanmodelle
Eine wichtige arbeitswissenschaftliche
Erkenntnis ist, dass nach mehreren Ar-
beitstagen in einem Schichtplan immer
mindestens zwei freie Tage am Stück fol-
gen sollen, nach einer Nachtschicht so-
gar drei. Doch ist dies bei einer 40-Stun-
den-Woche kaum möglich: Um pro
Woche 40 Stunden zu erreichen, muss
in der Regel bei 7,5 Arbeitsstunden pro
Schicht durchschnittlich an 5,33 Tagen
pro Woche gearbeitet werden. Konkret
muss der Schichtarbeiter durchschnitt-
lich alle drei Wochen einen sechsten Ar-
beitstag leisten, um die vertragliche Wo-
chenarbeitszeit zu erreichen. Das heißt,
alle drei Wochen sind sechs Arbeitstage
am Stück und nur ein Tag Freizeit die
Regel. Alternativ muss er einmal in vier
Wochen sieben Tage am Stück arbeiten.
In Vollkonti-Betrieben geht damit noch
einher, dass die ohnehin wenigen freien
Wochenenden noch weiter reduziert wer-
den. Bei den weit verbreiteten Schicht-
plänen mit 39:22 Stunden muss sogar,
um auf 40 Stunden im Durchschnitt zu
kommen, noch circa alle zwölf Wochen
eine zusätzliche Schicht geleistet wer-
den. Das führt im ungünstigsten Fall
dazu, dass noch weniger Wochenenden
als jedes vierte Wochenende frei sind.
Zusätzliche Belastungen ergeben sich
daraus, dass immer sieben Arbeitstage
am Stück erfolgen, was besonders in der
Nachtschicht sehr anstrengend ist.
Wird dagegen ein Schichtplan mit 35:48
Stunden (siehe Abbildung Seite 28) durch-
schnittlicher Wochenarbeitszeit erstellt,
der sich nach 22 Wochen wiederholt und
auf möglichst viele freie Wochenenden
ausgerichtet ist, ergibt sich ein anderes
Bild. In 22 Wochen gibt es sieben freie
Wochenenden, das heißt fast jedes drittes
Wochenende ist frei, fünf davon sind auf
drei oder vier freie Tage verlängert. Die
Anzahl der freien Wochenenden wurde
mit dem kleinen ergonomischen Nachteil
erkauft, dass an einigen Stellen nach einer
Frühschicht direkt in eine Nachtschicht
gewechselt wird. Das Problem, dass nach
einer Nachtschicht nur zwei freie Tage fol-
gen, kann zwar nicht vollständig verhin-
dert werden, dafür gibt es aber immerhin
sechs Nachtschichtblöcke in 22 Wochen
mit einem folgenden drei- oder viertägigen
Freizeitblock. In Summe ist dieser Schicht-
plan deutlich weniger belastend als ein
Schichtplan mit 39:22 Stunden.
Erschwerte Reserveschicht bei Vollzeit
Der Ersatzbedarf für Abwesenheiten
kann über ein sogenanntes Reserve-
schichtkonzept realisiert werden. Re-
serveschichten fungieren als Platzhal-
ter in einem Schichtplan. Hier werden
Tradition alleine genügt nicht
ESSAY.
Ist die 40-Stunden-Woche im Schichtbetrieb noch zeitgemäß? Auftrags­
schwankungen in einem dynamischen Markt offenbaren Schwächen des Modells.
Von
Guido Zander
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