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TITEL
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 03 / 15
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lich gar keine Arbeitszeit vereinbart ist,
insbesondere wenn von sogenannter
Vertrauensarbeitszeit gesprochen wird.
Hier hat das Bundesarbeitsgericht (BAG)
mehrfach entschieden, dass diese ar-
beitsvertraglich zulässigen Abreden den
Arbeitgeber nicht davon entlasten, die
Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu
überwachen und auch bei Vertrauens-
arbeitszeit eventuelle Überschreitungen
der acht Stunden je Arbeitstag zu doku-
mentieren.
Auch der Betriebsrat kann sich hier
als Wächter des Arbeitszeitgesetzes
beweisen. Zwar besteht bei der indi-
vidualrechtlichen Abrede einer Ver-
trauensarbeitszeit in der Regel kein
Mitbestimmungsrecht. Nach § 80 Be-
triebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat
der Betriebsrat aber darauf zu achten,
dass der Arbeitgeber „die zum Schutze
der Arbeitnehmer geltenden Gesetze
einhält“. Die Nichtbeachtung der Auf-
zeichnungspflicht kann somit vom
Betriebsrat, gegebenenfalls durch ein
arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren
nach § 23 Abs. 3 BetrVG, eingefordert
werden.
Der Überraschungsparagraf des
Arbeitszeitgesetzes
Eine ebenfalls nicht besonders bekann-
te Formalität hat das Arbeitszeitge-
setz an versteckter Stelle in § 7 Abs.
7 ArbZG parat. Danach darf in den
Fällen, in denen das Arbeitszeitgesetz
eine Überschreitung der Acht-Stunden-
Regel zulässt, wenn in die Arbeitszeit
regelmäßig und in erheblichem Umfang
Arbeitsbereitschaft oder Bereitschafts-
dienst fällt, nur Gebrauch gemacht wer-
den, wenn „der Arbeitnehmer schrift-
lich eingewilligt hat“.
An dieser Stelle bekommt das Arbeits-
zeitgesetz urplötzlich eine individual-
rechtliche Note, denn der Tatbestand
dieser möglichen Arbeitszeitüberschrei-
tung hängt somit von der Zustimmung
des Arbeitnehmers ab. Diese Zustim-
mung kann der Beschäftigte imÜbrigen,
auch das ist wörtlich im Arbeitszeitge-
setz in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG gere-
gelt, „mit einer Frist von sechs Monaten
schriftlich widerrufen“. Wächter dieser
individualrechtlichen Vorgabe ist das
Gewerbeaufsichtsamt. Diese Kontroll-
funktion ergibt sich aus § 16 Abs. 2
ArbZG. Nach dieser Vorschrift hat der
Arbeitgeber nämlich „ein Verzeichnis
der Arbeitnehmer zu führen, die in eine
Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7
Abs. 7 eingewilligt haben“.
Das Nachweisgesetz schreibt vor, zum Beispiel die vereinbarte Arbeitszeit schrift-
lich niederzulegen. Bislang haben Unternehmen diese Vorgaben nicht immer ernst
genommen – was sich durch den Mindestlohn nun ändern dürfte.
Man stelle sich vor, es kommt ein Gesetz und keiner merkt‘s. Das könnte auf das Nach-
weisgesetz (NachwG) von 1995 zutreffen, denn dieses lag bislang in einem regelrechten
Dornröschenschlaf. Jedenfalls in den Fällen, in denen Arbeitgeber keinen oder nur einen
rudimentären schriftlichen Arbeitsvertrag für notwendig hielten. Dabei sind die im Nach-
weisgesetz festgelegten Dokumentationspflichten eindeutig: Gemäß § 2 NachwG ist je-
der Arbeitgeber verpflichtet, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des
Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die
Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Unter anderem
muss hier auch zwingend eine Aussage über die vereinbarte Arbeitszeit auftauchen.
Direkte Sanktionen sieht das Nachweisgesetz für den Fall der Missachtung nicht vor.
Eine bislang schon unliebsame Folge des Unterlassens der Dokumentationspflicht: Ist
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer streitig, welchen Inhalt eine dokumentations-
pflichtige Vertragsbedingung hat, so gerät der Arbeitgeber schnell in eine Beweislastfal-
le. Kann er über seine Version keinen anderweitigen Beweis erbringen, so gilt mangels
Dokumentation die übliche Arbeitsbedingung als vereinbart. Genau diese Beweislast
kann jetzt auch zu Schwierigkeiten führen, wenn eine Mindestlohnprüfung durch den
Zoll erfolgt. Dieser wird nämlich in vielen Fällen zunächst nach der Niederschrift gemäß
Nachweisgesetz fragen. In § 15 MiLoG ist sogar ausdrücklich vorgesehen, den Zollbe-
hörden Einsicht in „Niederschriften nach § 2 des Nachweisgesetzes“ zu gewähren. Ohne
schriftliche Aufzeichnung der vereinbarten Arbeitszeit haben Arbeitgeber spätestens
dann ein handfestes Problem, wenn „über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinaus-
gehende Arbeitsstunden“ auf einem Arbeitszeitkonto eingestellt werden. Denn: „Die auf
das Arbeitszeitkonto eingestellten Arbeitsstunden dürfen monatlich jeweils 50 Prozent
der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht übersteigen“, gibt § 2 Abs. 2 MiLoG vor.
Was aber ist die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit, wenn der Arbeitgeber diese nicht
gemäß Nachweisgesetz dokumentiert hat? Die Zollbeamten könnten auf die Idee kom-
men, dass schon wegen dieser Unklarheit die Voraussetzungen eines ordnungsgemäßen
Mindestlohn-Arbeitszeitkontos nicht erfüllt sind. Schließlich lässt sich nicht feststellen,
wann im konkreten Fall eine Überstunde beginnt. Oder man betrachtet den Acht-Stun-
den-Tag als übliche Arbeitszeit. Dann wäre jede Überstunde gleichzeitig Mehrarbeit im
Sinne des Arbeitszeitgesetzes und als solche nach diesem Gesetz aufzeichnungspflichtig.
Der Mindestlohn als Weckruf
NACHWEISGESETZ
THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt und
Fachautor in Freiburg.
Muster
Betriebsvereinbarung für flexible
Arbeitszeit (HI519688);
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