Seite 10 - personalmagazin_2014_09

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personalmagazin 09 / 14
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TITEL
_
AUSBILDUNG
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
D
ie deutsche Wirtschaft sucht
händeringend nach Azu-
bis. Das haben Ende Juli
zahlreiche Medien laut ver-
kündet. Anlass waren die Zahlen der
Bundes­agentur für Arbeit (BA) zur be-
trieblichen Berufsausbildung: Im Juni
waren noch 193.900 Ausbildungsstellen
unbesetzt – etwa acht Prozent mehr als
im Vorjahr. Zugleich hatten 192.400 Be-
werber noch keinen Ausbildungsplatz
erhalten, was nur 0,1 Prozent weniger
ist als 2013. Wie in den Vorjahren steht
also die hohe Zahl der offenen Ausbil-
dungsstellen der hohen Anzahl unver-
sorgter Bewerber gegenüber. Sprich:
Der vielgerühmte „Mismatch“ auf dem
Ausbildungsmarkt ist bei Weitem noch
nicht behoben. Katharina Heuer, Vorsit-
zende der Geschäftsführung der Deut-
schen Gesellschaft für Personalführung
(DGFP), spricht von einer „besorgniser-
Von
Kristina Enderle da Silva
(Red.)
regenden“ Situation auf dem deutschen
Ausbildungsmarkt (siehe Seite 12).
Zeit für eine Ursachenanalyse: Woran
liegt es, dass Unternehmen und poten-
zielle Azubis immer noch nicht zuei-
nander finden? Lutz Goebel, Präsident
des Verbands der Familienunternehmer,
führt dies unter anderem darauf zurück,
dass vielen Bewerbern Grundkenntnisse
fehlten. Er schlägt vor, das Fach Wirt-
schaft in den Schulen flächendeckend
einzuführen, „um junge Menschen
schon frühzeitig mit wirtschaftlichem
Denken vertraut zu machen.“
Alle Potenziale ausschöpfen
Allerdings weist die Bertelsmann Stif-
tung darauf hin, dass Unternehmen –
gerade vor dem Hintergrund des de-
mografischen Wandels – künftig ver-
mehrt Ausbildungsplatzbewerber mit
Lernschwächen berücksichtigen sollten.
Wie eine Studie im Auftrag der Stiftung
belegt, sind hier noch wesentliche Po-
tenziale zu heben (siehe Seite 14). Dies
unterstützt auch der Verwaltungsrat der
BA mit der Initiative „Betriebliche Aus-
bildung hat Vorfahrt“. Sie soll gezielt
benachteiligte Jugendliche fördern und
ihnen zu einem Ausbildungsverhältnis
verhelfen. Auch die Initiative „Inklusion
gelingt“ hat dieses Ziel. Dafür haben sich
die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände, der Deutsche In-
dustrie- und Handelskammertag (DIHK)
und der Zentralverband des Deutschen
Handwerks (ZDH) zusammengetan.
Ein weiterer Grund für den andau-
ernden „Mismatch“ liegt wohl auch
darin, dass Azubis meist anhand ihrer
Noten ausgewählt werden. Eine Auswer-
tung des Handelsblatt-Jobturbo, den die
Zeitung veröffentlicht hat, zeigt, dass in
den Stellenanzeigen für Ausbildungsbe-
rufe „gute Noten in Fremdsprachen und
Mathematik ganz oben auf der Anforde-
rungsliste der Betriebe stehen“. Noten
sind aber nicht valide genug für die
Azubi-Auswahl, belegen die Experten
von HR Diagnostics im Fachbeitrag ab
Seite 18. Auch hier werden Potenziale
verschenkt und lernschwächere Jugend-
liche kaum berücksichtigt. Onlinetests,
die Potenziale messen, könnten eine Lö-
sung sein.
Laut der DIHK-Umfrage „Ausbildung
2013“, für die online 15.000 Unter-
nehmen befragt wurden, ist auch die
schlechte Berufsorientierung der Schü-
ler ein Grund für das Passungsproblem:
53 Prozent der Teilnehmer nennen dies
als Ausbildungshindernis. Das schlägt
sich auch auf die Vertragsauflösungs-
quote in der dualen Berufsausbildung
nieder. Laut dem „Bildungsbericht 2014“
beträgt sie 22 Prozent. Bei Azubis mit
Hauptschulabschluss liegt sie sogar
mehr als doppelt so hoch. Die DIHK-Be-
fragten wollen diesem Problemmit deut-
lich mehr Schülerpraktika begegnen.
Die Blogger-Welt sendet Appelle
Auch die Blogger der HR-Szene haben
das Problem der schlechten Berufs­
orientierung erkannt und aufgegriffen.
Zum Jahreswechsel rief Jo Diercks, Ge-
schäftsführer der Cyquest GmbH, auf
seinem „Recrutainment Blog“ sogar das
Jahr der Berufsorientierung aus. Auf
dem Ausbildungsmarkt herrsche eine
So punkten Sie bei Azubis
ÜBERBLICK.
Wer nicht genug Auszubildende findet, muss umdenken. Es gilt nun,
endlich ungenutzte Potenziale zu heben und die Ausbildung attraktiver zu gestalten.
Es gibt viele Gründe
für den „Mismatch“ im
Ausbildungsmarkt, aber
auch viele Lösungen.
Statt zu klagen, müssen
Unternehmen umden-
ken und sie umsetzen.