Seite 34 - personalmagazin_2014_02

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personalmagazin 02 / 14
Management
_Personalplanung
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
Zahlen, Daten, Fakten und Trends, zeigt
Handlungsoptionen auf und hilft, geeig-
nete Maßnahmen für den Personalbedarf
abzuleiten. Die beiden nachfolgenden
Beispiele zeigen die Effekte einer Verän-
derung beim Unternehmenswachstum
und von Restrukturierungen sowie die
Auswirkungen demografischer Verschie-
bung innerhalb der Mitarbeitergruppen
und die Wirkung einer „Talent Pipeline“.
Fallbeispiel eins: Umgestaltung
des Talent Managements
Ein Unternehmen der Finanzbranche mit
mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem
Wachstum von etwa zehn bis 15 Prozent
hatte innerhalb der vergangenen Jahre
sein Geschäftsmodell auf die Entwick-
lung von Generalisten ausgerichtet. Der
Finanzdienstleister baute einen großen
Nachwuchspool für Führungskräfte auf,
um das Wachstum zu stützen. Der Fokus
der Personalstrategie lag deshalb auf der
Führungskräfteentwicklung. Infolge der
Finanzkrise war der Finanzdienstleister
jedoch gezwungen, sich neu auszurich-
ten und sich auf einige wenige strategi-
sche Geschäftsfelder zu konzentrieren
sowie seine End-to-End-Prozesse, also
jene Abläufe, die sich vollständig durch
das ganze Unternehmen ziehen, zu stan-
dardisieren und zu automatisieren. Zu-
dem stagnierte die Zahl der Mitarbeiter.
Was diese Veränderung bedeutet, lässt
sich bei diesem Beispiel bereits im Stel-
lenkegel des Unternehmens skizzieren:
Künftig benötigt das Unternehmen mehr
hochwertige Spezialisten, die es zuvor
nicht im Fokus hatte. Die Sachbearbei-
terfunktionen nehmen signifikant zu, da
die Geschäftsprozesse durch Standardi-
sierung tayloristisch umgestaltet sind.
Führungskräfte sind bei diesem Modell
auch tief im tariflichen Vergütungsbe-
reich zu finden. Im alten Modell gab es
ein fast zwangsläufiges Hineinwachsen
in eine Führungsverantwortung und in
den außertariflichen Bereich. Im neuen
Modell gibt es nur wenige Führungskräf-
te, die Karriereentwicklung ist daher in
dieser Hinsicht eingeschränkt. Auf der
anderen Seite bietet das Modell alterna-
tive Karrierepfade wie eine Spezialisten-
oder Projektlaufbahn. Dies hat zudem
entscheidende Konsequenzen für das
Erwartungsmanagement der aktuellen
Talente. Im Ist-Zustand lag der Fokus
des Talent Managements bisher auf der
mittleren und oberen Führungsebene. In
der neuen Situation ist die Zielgruppe
des Talent Managements deutlich grö-
ßer. Das heißt, die Auswahlprozesse wie
auch die Entwicklungsmaßnahmenmüs-
sen überdacht und überarbeitet werden,
da an der Spitze nun andere Mitarbeiter
benötigt werden als zuvor.
In jedem Fall kann der Finanzdienst-
leister durch die szenarienbasierte Dar-
stellung der Unternehmenssituation
erkennen, dass er sein Talent Manage-
ment neu ausrichten sollte. Der Ansatz
rückt die künftig relevanten Zielgruppen
in den Fokus und gibt Aufschluss über
den Rekrutierungs- und Entwicklungs-
bedarf.
Fallbeispiel zwei: Aufbau
einer „Talent Pipeline”
Bei einem internationalen Industrie-
dienstleister mit mehr als 7.000 Mitar-
beitern zeichnen sich die Auswirkun-
gen der demografischen Entwicklung
deutlich ab: Allein auf den drei oberen
Ebenen scheiden altersbedingt jeweils
knapp 30 Prozent der Mitarbeiter in-
nerhalb der nächsten zehn Jahre aus.
Da die Auswirkungen zwar deutlich, je-
doch nicht kurzfristig zeitkritisch sind,
war es für das Unternehmen wesent-
lich, eine nachhaltige „Talent Pipeline“
aufzubauen und unter wirtschaftlichen
Aspekten zu dimensionieren, um den
künftigen Bedarf an Fach- und Füh-
rungskräften zu decken.
Ausgehend von den Anforderungen an
der Unternehmensspitze im Bereich Ge-
schäftsführung/Bereichsleiter mit zirka
30 Mitarbeitern wurde eine durchgän-
gige „Talent Pipeline“ abgeleitet. Diese
definiert die Anzahl an Talenten nach
Stufen und „Talent Pools“, die das Un-
ternehmen beim Nachfolgemanagement
als notwendig erachtet. Der Fokus ist auf
erfolgversprechende Talente gerichtet.
Basierend auf dem Stellenkegelmodell
errechnete das Unternehmen für die je-
weiligen Ebenen ein Verhältnis von 1:1,5
Nachfolgekandidaten pro Jahr zu Pool-
Kandidaten. Die typische Verweildauer
im Pool beträgt fünf Jahre für die oberen
Führungsebenen und drei Jahre für die
Teamleiterebene. Das entspricht einer
Fluktuation von 20 Prozent beziehungs-
weise 33 Prozent pro Jahr und erfordert
ein permanentes Recruiting aus der Be-
legschaft von 20 Prozent für die oberen
Ebenen und 33 Prozent für die Teamlei-
terebene. Die jeweils nächste Ebene wird
vorrangig mit Kandidaten aus dem Pool
besetzt, ohne jedoch Chancen auf dem
Arbeitsmarkt zu vernachlässigen. Das
Beispiel zeigt, dass das Unternehmen
180 Talente, also etwa drei Prozent der
Belegschaft, permanent auf dem Radar
haben muss, um den Bedarf an der Un-
ternehmensspitze sicherzustellen.
Anton Stockhausen
ist
Vorstand der HR-Beratung
Lurse AG.
Dr. Stefan Fischer
ist
Senior Consultant bei der
Lurse AG.
Die Szenarien unter­
legen das Bauchgefühl
mit Zahlen, Daten, Fak-
ten und Trends, zeigen
Handlungsoptionen auf
und helfen, geeignete
Maßnahmen abzuleiten.