Seite 72 - personalmagazin_2014_06

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recht
_mindestlohn
personalmagazin 06 / 14
D
as Mindestlohngesetz ist in
der Öffentlichkeit weitgehend
bekannt und entsprechend
kontrovers diskutiert worden.
Weniger diskutiert, wenn nicht sogar
übersehen wurde bisher, dass diesem
Gesetz weitere Änderungen in Form
von zusätzlichen 14 sogenannten „Ar-
tikelgesetzen“ folgen. Zunächst ist dies
kein ungewöhnlicher Vorgang, denn
bekanntlich ziehen neue Gesetze an un-
zähligen Verweisstellen anderer Geset-
ze Änderungs- oder Löschungsbedarf
nach sich.Interessant wird es dann aber
immer, wenn sich unter den Folgearti-
keln auch Neuerungen befinden, die mit
den erwähnten handwerklichen Anpas-
sungen an das Hauptgesetz nicht un-
mittelbar zu tun haben, sondern einen
eigenständigen Regelungsgehalt entfal-
ten. Ministerialbeamte sprechen hier
süffisant von einem „Omnibusgesetz“.
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
Damit wollen sie ausdrücken, dass ein
Gesetz für den vorgeschriebenen par-
lamentarisch notwendigen Durchgang
nicht als Einzelposten behandelt wird,
sondern bei einem anderen Gesetzes-
vorhaben sozusagen „mitfährt“. Kriti-
siert wird an einem solchen Verfahren,
dass dabei häufig die notwendige Dis-
kussion um die Wichtigkeit der zuge-
ladenen Materie auf der Strecke bleibt,
weil hauptsächlich nur um das führen-
de Gesetz gestritten wird.
Auf die Idee, dass dies auch beim Min-
destlohn der Fall ist, könnte man bei der
Durchsicht des Artikels 5 kommen, in
dem unter der Überschrift „Änderung
des Tarifvertragsgesetzes“ quasi „en
passant“ die Voraussetzungen, unter de-
nen Tarifverträge für allgemeinverbind-
lich erklärt werden können, erheblich
erleichtert würden. Eigentlich ein Vor-
haben, bei dem man mit harscher Kritik
aus den Unternehmen rechnen müsste,
die sich bewusst für eine Arbeitswelt oh-
ne Tarifbindung entschieden haben. Sie
stehen jetzt unter der erhöhten Gefahr,
durch schnelle Allgemeinverbindlich-
keitsverfahren einem Tarifvertrag wie
einem Gesetz zu unterliegen – dies dann
nicht nur wie beim Mindestlohngesetz
bezüglich der Entlohnung im engeren
Sinne, sondern bezüglich aller Arbeits-
bedingungen, die konkret im allgemein-
verbindlichen Tarifvertrag geregelt sind;
so beispielsweise Weihnachts- und Ur-
laubsgeld oder Überstunden und Feier-
tagszuschläge.
En passant das Tarifrecht ändern
Übersicht.
8,50 Euro mindestens: Diese Vorgabe ist mittlerweile hinreichend
bekannt. Sie ist jedoch nur Teil eines Pakets, das es an einer Stelle in sich hat.
Vorsicht „Omnibus­gesetz“: Beim
Mindestlohngesetz sollte man genau
hinschauen.
Übersicht
Amtliche Liste der geltenden
Mindestlohn-Tarifverträge (HI2171602)
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