Seite 24 - personalmagazin_2014_06

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Titel
_Ständige Erreichbarkeit
personalmagazin 06 / 14
V
olkswagen stellt die Server
ab. BMW führt ein Recht auf
Unerreichbarkeit ein. Daimler-
Mitarbeiter dürfen E-Mails
löschen lassen. Gerade die Autobauer
haben schon für Schlagzeilen gesorgt
mit ihrem Einsatz gegen die Dauerver-
fügbarkeit der Mitarbeiter dank E-Mails
und Smartphones. Die Maßnahmen,
die die Unternehmen ergriffen haben,
sind dabei in den meisten Fällen relativ
ähnlich. Führungsleitlinien spielen eine
große Rolle. So hat Puma schon vor zwei
Jahren Richtlinien zum geregelten und
sinnvollen Umgang mit Smartphones
erstellt. „Die Erreichbarkeit und Bear-
beitung von E-Mails am Wochenende
und nach Ende der Arbeitszeit werden
grundsätzlich nicht erwartet“, erklärt
dazu ein Pressesprecher des Unterneh-
mens. Die Richtlinien hat der Vorstand
schriftlich gegenüber dem Betriebsrat
und bei der Mitarbeiterversammlung ge-
genüber der Belegschaft bestätigt. Seit-
dem hat der Sportartikelhersteller keine
weiteren Bemühungen zum Thema mehr
angestrengt, wie der Pressesprecher be-
stätigt. Auch der Energieriese Eon setzt
auf das aktive Vorleben der Führungs-
Von
Kristina Enderle da Silva
(Red.)
kräfte, wie Maria Antoniou, Senior Vice
President HR der Eon SE, erklärt. Sie ist
sich sicher, dass diese Vorbildfunktion
wesentlich mehr bringt als zum Beispiel
vorgeschriebene No-E-Mail-Zeiten. „Wir
möchten unseren Arbeitnehmern flexi-
bles Arbeiten ermöglichen“, betont sie.
Alles andere würde den Stresslevel der
Mitarbeiter sogar eher erhöhen. „Viele
Arbeitnehmer gehen lieber früher nach
Hause, um auf ihre Kinder aufzupassen
oder Sport zu machen. Sie rufen dann
später wieder ihre E-Mails ab. Moderne
Technologie hat nicht nur Nachteile“, so
Antoniou.
Dieser Überzeugung kann sich auch
Lutz Hohmann anschließen. Er ist Vor-
stand der Profi Engineering Systems AG,
ein IT-Dienstleistungsunternehmen mit
350 Mitarbeitern deutschlandweit. „Der
Umgang mit den betrieblichen Smart-
phones stellt hohe Anforderungen an
die Eigenverantwortung unserer Mitar-
beiter“, erklärt er. „Wir möchten aber
keine vordefinierten No-E-Mail-Zeiten
einführen, sondern setzen auf den eigen-
verantwortlichen, sensiblen Umgang.“
Bei der Profi AG wurden Rufbereit-
schaften definiert und dedizierte Ruf-
bereitschaftsteams zusammengestellt,
um eine klare Trennung zwischen Zu-
ständigkeiten, Arbeitszeit und Freizeit
zu schaffen. Über unternehmensweit
eingeführte Führungsleitlinien wird die
Botschaft ausgegeben, dass zum Beispiel
imUrlaub möglichst keine Mails und An-
rufe an Mitarbeiter erfolgen sollen. Da
das Unternehmen inzwischen über ein
internes soziales Netzwerk verfügt, wur-
den die Leitlinien auf den Umgang mit
Social Media ausgeweitet. „Diese Regeln
sprechen wir immer wieder in unseren
Führungsrunden an – schließlich sind es
die direkten Vorgesetzten, die den Druck
erzeugen oder eben nicht“, so Hohmann.
VW setzt auf harte Maßnahmen
Bei Volkswagen sehen die Instrumente,
mit denen die ständige Erreichbarkeit
eingegrenzt werden soll, anders aus –
der Autobauer hat harte Maßnahmen
ergriffen: Nach Feierabend werden dort
die Server abgeschaltet, sodass die Mit-
arbeiter über ihre Dienst-Smartphones
keine E-Mails mehr abrufen können.
Vorgeführtes Abschalten
PRAXIS.
Viele Firmen gehen gegen die Risiken der ständigen Erreichbarkeit vor.
Meistens setzen sie auf Führungsleitlinien. Die Wirkung davon ist aber ungewiss.
„Wir möchten unseren Arbeitnehmern
flexibles Arbeiten ermöglichen. Moderne
Technologie hat nicht nur Nachteile.“
Maria Antoniou, Senior Vice President HR der Eon SE
„Es reicht nicht aus, Mitarbeiter und
Führungskräfte zu sensibilisieren.
Das hängt zu stark vom Goodwill ab.“
Heinz-Joachim Thust, Betriebsrat der Volkswagen AG