Seite 62 - personalmagazin_2014_10

Basic HTML-Version

62
SPEZIAL
_ZUKUNFT PERSONAL
personalmagazin 10 / 14
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
E
in Szenario, das immer häufi-
ger im Unternehmenskontext
vorkommt: Ein junger Mensch,
der sonntags seine X-Box mit
Gesten steuert und nebenher I-Tunes
bedient, findet montags im Büro den
klassischen Desktop-PC vor, dessen
USB-Port zur Sicherheit mit Heißkleber
verschlossen wurde. „Der ist doch sofort
weg, da muss sich keiner wundern“,
erklärt Professor Jan Borchers, Inhaber
des Lehrstuhls Medieninformatik und
Mensch-Computer-Interaktion an der
RWTH Aachen. „Eine Unternehmens-IT,
mit der Mitarbeiter gerne und gut arbei-
ten, ist für Arbeitgeber momentan ein
Qualitätsmerkmal, das ihnen Vorsprung
im Arbeitsmarkt verschafft“, weiß er.
Privatleute sind besser ausgerüstet
Das Erstaunliche an diesem Szenario:
Zum ersten Mal in der Geschichte von IT
nutzen Verbraucher bessere Produkte
als Unternehmen. Die Consumer-Elekt­
ronik hat die Führerschaft übernom-
men, wenn es darum geht, Ergonomie
und Anwenderfreundlichkeit von Soft-
ware zu definieren.
Die Firmen müssen reagieren. Sie
werden getrieben, ihre Systeme von der
Unternehmenszentrierung hin zur An-
wendersicht zu entwickeln. Die Mitar-
beiter wollen ihre Ansprüche an IT selbst
definieren, ihr privates Nutzerverhalten
auf Businessanwendungen übertragen.
Zur Not bringen sie ihre bevorzugten
Arbeitsmittel mit ins Büro (Bring your
own device, kurz BYOD). In den USA nut-
Von
Ralf Gräßler
zen laut Studien bereits über 50 Prozent
der Mitarbeiter eigene Technologie und/
oder das Smartphone für berufliche Zwe-
cke. Damit dringen Innovationen, die ei-
gentlich aus dem Konsumentenbereich
kommen, ins Unternehmensumfeld
ein und machen das möglich, was die
neuen Arbeitnehmergenerationen als
selbstverständlich erachten: die immer
größere Vermischung von Privat- und
Berufsleben. Diese Entwicklung wird
auch als Consumerization bezeichnet.
Umstellung zur People Software
Seit Jahrzehnten ist HR-Software für Un-
ternehmen gemacht worden. Sie diente
dazu, regelkonform zu arbeiten oder
Gehälter pünktlich zu bezahlen. Aktuell
werden die Systeme im Sinne einer Ge-
samt-HR ausgebaut, die Routinen unter-
stützt und wertschöpfende Prozesse wie
Bildungs-, Kompetenzmanagement oder
Recruiting begleitet. Wie überall in den
Unternehmen ist diese Software entwi-
ckelt worden, um Daten zu erfassen, zu
sammeln, auszuwerten und bereit zu
stellen. Aber sie ist nicht dafür gemacht,
den Mitarbeitern dabei zu helfen, ihren
Job besser zu machen.
Genau das wird und muss sich jetzt
ändern. Die neuen Softwaregenera-
tionen sind anders, denn sie sind für
Menschen gemacht. Damit werden die
Software-Anbieter vor eine ganz neue
Herausforderung gestellt: Nicht nur die
Personaler, sondern alle Mitarbeiter und
Beteiligten müssen HR-Software bedie-
nen können. Ein Bewerber im Erstkon-
takt mit dem Unternehmen ebenso wie
ein Projektleiter auf der Suche nach dem
passend qualifizierten Teammitglied, ein
Mitarbeiter beim Abruf seiner aktuellen
Gehaltsdaten ebenso wie ein Manager
beim Zusammenstellen der aktuellen
Personalkennzahlen.
Sieben Prämissen
Bei der Anpassung der Prozesse auf die
neue Anwenderzentrierung müssen Un-
ternehmen folgendes beachten:
• Einfacher Zugang zu Informationen:
Die Cloud macht es möglich, dass der
Konsument Musik, Fotos und Informa-
tion überall beziehen und teilen kann.
Warum soll er im Büro auf diesen Kom-
fort verzichten?
• Durchgängigkeit: Kein Mitarbeiter ist
mehr bereit, gleiche Daten an mehreren
Stellen zu pflegen oder sich beim Wech-
sel zwischen Anwendungen auf ver-
schiedene Oberflächen und Funktionen
einzustellen.
• Collaboration: Es gilt das Prinzip des
„weltweiten Wissens“, das im Internet
geteilt wird. Unter dem Leitbegriff „open
innovation“ kommt Wissen von dort, wo
Software ist für Menschen da
PRAXIS.
Viele Mitarbeiter nutzen privat bessere und leichter bedienbare Hard- und
Software als im Unternehmen. Darauf müssen Arbeitgeber reagieren.
Seit Jahrzehnten wurde
HR-Software für Unter-
nehmen gemacht. Neue
Softwaregenerationen
sollten jetzt Mitarbei-
tern helfen, ihren Job
besser auszuführen.