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ORGANISATION
_GESUNDHEITSMANAGEMENT
personalmagazin 10 / 14
B
etriebliches
Gesundheits­
management soll aktive Vor­
sorge in den Betriebsalltag
integrieren. Doch eine Ziel­
gruppe erweist sich hier als besonders
schwierig: Männer. „Die Devise lautet
nach wie vor: Männer gehen zur Arbeit,
nicht zum Arzt“, bestätigt der Arbeits­
mediziner Dr. Peter Kölln. Sein Tipp:
„Die meisten Männer definieren sich
über Leistung, nicht über den abstrak­
ten Begriff der Gesundheit. Um sie zu
erreichen, müssen wir ihre Leistungsfä­
higkeit ansprechen, nicht ihre Defizite.“
Bedarfsorien­tiertes BGM bietet hier
die Möglichkeit, geeignete Angebote zu
platzieren, aber auch die Chance, eine
Zielgruppe zu erschließen, die in der
klassischen Vermittlung von Gesund­
heitsinformationen – etwa durch Medien
oder Krankenkassen – kaum eine Rolle
spielt. Insbesondere die Themen Abneh­
men und Ernährung sind fast immer auf
Frauen zugeschnitten, dabei haben Män­
ner oft den größeren Handlungsbedarf.
Fakten statt Appelle
„Frauen reden eher, Männer somatisie­
ren, das heißt, aus dem seelischen wird
Von
Anette von Löwenstern
dann ganz schnell ein körperliches Prob­
lem“, berichtet Kölln. In der Gesprächs­
führung heißt das: aktiv zuhören, mög­
lichst konkret sein – gerne mit Beispielen
aus dem Arbeitsalltag oder technischen
Analogien, etwa aus der Auto-Welt. „Ein
übergewichtiger Mann will keinen Vor­
trag über die gesundheitlichen Nachtei­
le seines Bauches hören. Aber frage ich
ihn, nach wie vielen Stufen er auf der
Treppe aus der Puste kommt, wird er
hell­hörig“, so der Arzt. Gerade die Frage
nach einem wirksamen und alltagstaug­
lichen Abnehmprogramm tauche in sei­
nen Gesprächen immer öfter auf. Viele
Männer seien von gescheiterten Diätver­
suchen frustriert, ihr Übergewicht eine
Folge von Problemen und Stress.
Leistungsbremse Übergewicht
„In vielen Unternehmen leidet schon
heute jeder zweite Mitarbeiter unter
Krankheiten, die direkt oder indirekt
auf Übergewicht zurückzuführen sind:
Bluthochdruck, Rückenschmerzen, Fett­
stoffwechselstörungen, Typ-2-Diabetes,
Leberverfettung“, berichtet Gesund­
heitsexperte Dr. Hardy Walle. Mittel­
fristig sei der wirtschaftliche Schaden
enorm, die Produktivität reduziere
sich zum Teil um ein Drittel. „In den
Arbeitsalltag integrierte Programme
bieten gute Möglichkeiten, auch dieje­
nigen zu erreichen, die sich sonst eher
wenig um ihre Gesundheit kümmern“,
so Walles Erfahrung. Gerade im betrieb­
lichen Umfeld sei der Nutzen präven­
tiver Interventionen, etwa zur Gewichts­
reduktion, sehr hoch. Nicht nur, dass
deutlich mehr Männer zum Abnehmen
motiviert werden als im ambulanten
Bereich; neben dem Gewicht reduzieren
die Teilnehmer auch ihr Risiko, Adi­
positas-assoziierte Folgeerkrankungen
wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck oder
­einen Herzinfarkt zu erleiden. Wie sol­
che Programme funktionieren können,
zeigen die beiden folgenden Praxis­
beispiele.
Abnehmen in der KVG
Der Impuls kam von Geschäftsführer
Andreas Schulz: Der Chef der Kieler
Verkehrsgesellschaft (KVG), einem Be­
trieb mit 400 Busfahrern im Schicht­
dienst, hatte sein früheres Sportpro­
gramm wieder aufgenommen und
plante eine Diät. Gemeinsam mit dem
BGM-­Anbieter Bodymed entstand der
Plan, im Rahmen des betrieblich ge­
förderten
Gesundheitsmanagements
einen Abnehmkurs durchzuführen.
Mit Hilfe von Personalabteilung und
Betriebsrat wurden Mitstreiter gesucht,
die sich gemeinsam mit dem Chef
über gesundes Essen informieren, re­
gelmäßig untersuchen, wiegen lassen
und abnehmen wollten. „Das war am
Anfang nicht einfach“, berichtet Perso­
nalleiterin Viola Wormuth. „Wer setzt
sich schon gerne mit seinem Überge­
Männer ticken anders
PRAXIS.
Gesundheitsvorsorge? Für die meisten Männer ein Tabuthema. Zwei Beispiele
zeigen, wie auch die schwierige Zielgruppe Männer für BGM gewonnen werden kann.
„Keiner tut sich leicht damit zuzugeben,
dass er selbst übergewichtig ist, geschwei­
ge denn, andere darauf anzusprechen.“
Andreas Schulz, Geschäftsführer KVG
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