Seite 24 - personalmagazin_2014_10

Basic HTML-Version

24
TITEL
_VIDEOS
personalmagazin 10 / 14
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
F
ür viele Unternehmen ist es die
Krönung ihres Außenauftritts:
Ein prominenter Mensch macht
sich mit seinem guten Namen
zum Botschafter der Produkte oder des
Unternehmens selbst. Wie viele andere
Instrumente der klassischen Marken-
kommunikation hat in den vergangenen
Jahren auch das „Testimonial“ Einzug
im Personalbereich gefunden. Hier sind
es die eigenen Mitarbeiter, die als Mar-
kenbotschafter eingesetzt werden. Be-
sonders in Videos greifen Unternehmen
gerne auf diese authentischen und glaub-
würdigen Zeugen zurück – zumal es sich
um Bordmittel handelt: Darsteller, deren
Gage ohnehin schon bezahlt ist.
Nicht jeder eignet sich als Testimonial
Dabei wird allerdings übersehen, dass
Testimonials auch Probleme mit sich
bringen können, wenn das Wunschbild
nicht mehr mit der Realität in Einklang
steht. Gerade bei Videos fürs Internet
liegen einige Fallstricke aus. Schließlich
vergisst das Internet nichts.
Zwei Fragen sind darum für den Ein-
satz von Mitarbeitern in Videos ent-
scheidend. Die erste Frage: Wollen die
das? Vielfach kann man erkennen, dass
Mitarbeiter sich nicht in vollem Umfang
bewusst sind, was sie da tun und worauf
sie sich einlassen. Manche wollen dem
Unternehmen durchaus helfen und wie-
der andere fühlen sich diffus verpflich-
tet oder leicht genötigt, eine Erwartung
des Unternehmens zu erfüllen. Am Ende
findet man dann gut, was man gemacht
Von
Andreas Scheuermann
hat, weil man es gemacht hat. Was das
Publikum denkt, wird zum Selbstschutz
ausgeblendet. Diejenigen, die noch am
ehesten ihr Unternehmen vorbehaltlos
loben wollen, sind meist typische Selbst-
darsteller – keine Idealbesetzung. Ge-
nauso wenig geeignet sind diejenigen,
die qua Zuständigkeit ihr Unternehmen
gut finden müssen: Marketing- oder Per-
sonalmanager. Deren Zeugenaussage ist
oft nicht überzeugend.
Direkt mit der ersten Frage verbunden
lautet die zweite Frage: Können die das?
Viel zu oft wird diese Frage unterdrückt,
indem die Authentizität hervorgehoben
wird. So wie es ist, ist es authentisch.
Und weil es authentisch ist, ist es gut.
Authentizität bedeutet aber nicht Be-
liebigkeit. Die eingesetzten Mitarbeiter
sollten wirklich etwas zu sagen haben –
in eigenenWorten und aus eigener Über-
zeugung.
Gezwungen authentisch ist lächerlich
Besonders schwierig wird es nämlich,
wenn sich Unternehmen oder Agentu-
ren ausdenken, wie Authentizität funk-
tioniert. Die aufgesetzte gute Laune
von Shopping-Sendern schreckt viele
Menschen ab. Mit ihren Mitarbeitern
veranstalten Unternehmen allerdings
genau das Gleiche. Es wird zu be-
schwingter Hintergrundmusik vor Fir-
menschildern gelächelt, gewinkt, im
Team diskutiert und künstliche Erregt-
heit zelebriert. Unternehmen zeichnen
ein naives Selbstbild in der Annahme,
ihre Zielgruppe sei genauso naiv. Po-
sitive Eigenschaften werden schlicht
herbeibehauptet und die eigenen Leute
werden zu denjenigen gemacht, welche
dem Publikum das Possenspiel präsen-
tieren müssen: Das gepiercte Mädchen
mit roten Haaren aus der Lagerverwal-
tung muss erklären, dass in der Firma
jeder so sein darf, wie er ist. Und der
Kollege aus der Produktion­ leiert et-
was Vorgeschriebenes von den tollen
Zusatzleistungen herunter. Von wegen
Markenbotschafter – das ist der Mitar-
beiter als fleischgewordene Jobanzeige.

Wer Mitarbeiter tatsächlich als glaub-
würdige Markenbotschafter einsetzen
will, bewegt sich auf einem schmalen
Grat zwischen Wirkungslosigkeit und
Lächerlichkeit und sollte jeden Schritt
sorgsam prüfen.
Fleischgewordene Jobanzeige
ESSAY.
Wer Mitarbeiter als Markenbotschafter einsetzen will, bewegt sich auf einem
schmalen Grat. Gerade die viel gepriesene Authentizität braucht Fingerspitzengefühl.
ANDREAS SCHEUERMANN
ist Senior Berater für Arbeit-
geberkommunikation bei
der Fink und Fuchs Public
Relations AG am Standort Wiesbaden.
Besonders schwierig wird es, wenn sich Firmen oder
Agenturen ausdenken, wie Authentizität funktioniert.