Seite 50 - personalmagazin_2014_03

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Organisation
_Willkommenskultur
personalmagazin 03 / 14
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
D
ie Politik hat sich festgelegt:
weg vom Aufnahmestopp, hin
zu einer qualifizierten Zuwan-
derung. Sie propagiert damit,
was in den Unternehmen schon lange
Praxis ist. Die haben schon länger er-
kannt, dass Zugbrücken an den Grenzen
und ein globalisierter Markt nicht zusam-
menpassen. Schon gar nicht in Zeiten von
demografischem Wandel und wachsen-
dem Fachkräftemangel in Deutschland.
Noch hat der Bevölkerungsrückgang
den Arbeitsmarkt nicht im Griff. Bisher
wurde der Rückgang durch steigende
Erwerbsquoten der Frauen und Älteren
ausgeglichen. Doch Prognosen zeigen,
dass sich künftig selbst unter güns-
tigsten Annahmen über eine höhere
Erwerbsbeteiligung dieser Gruppen das
Schrumpfen des Erwerbspersonenpoten-
zials nicht mehr aufhalten lässt.
Kultur der Anerkennung von Vielfalt
Doch: „Deutschland ist kein Einwande-
rungsland“. Dieser Slogan aus der Zeit
von Abschottung und Ausgrenzung
hallt immer noch nach. Und er begrün-
det, warum es manchmal sehr schwer
ist, die neue Haltung zu Einwanderung
und Integration im Alltag umzusetzen,
eine wirkliche „Willkommenskultur“
aufzubauen und zu praktizieren. Dieser
Begriff steht für den Gedanken, dass
Integration, ganz gleich ob gesellschaft-
lich oder arbeitsmarktbezogen, nicht
nur eine Leistung der Ausländer und
Migranten, sondern eine Aufgabe der
gesamten Gesellschaft ist.
Von
Nils Berg
Grundlage ist eine Kultur der Anerken-
nung und Wertschätzung gesamtgesell-
schaftlicher Vielfalt, die alle einbezieht,
sowohl Neuzuwanderer als auch bereits
hier lebende Menschen mit und ohne
Migrationshintergrund. Sie ist nur dann
effektiv und vor allem glaubwürdig,
wenn sich die Grundhaltung der Men-
schen in Bezug auf Migration zum Posi-
tiven hin verändert und sich dies auch in
den Leitbildern von Organisationen und
Unternehmen widerspiegelt. Die Aner-
kennung unterschiedlicher Bedürfnisse,
Werte, Sprachen, Interessen, Lebensstile
und Arbeitsformen sowie deren struktu-
relle Umsetzung sind ausschlaggebend
dafür, dass potenzielle Arbeitskräfte ei-
nen Arbeitsplatz in Deutschland zu su-
chen und anzunehmen bereit sind.
Workshops und Umfrage zum Status
Doch wie kann ein Unternehmen eine
Willkommenskultur
implementieren
und fördern? Dazu hat die Techniker
Krankenkasse (TK) unter dem Motto
„Welcome! Förderung einer gelebten
Willkommenskultur“ gemeinsam mit
der Witten School of Management Ex-
perten-Workshops für Führungskräfte
im Personalbereich in zehn deutschen
Städten durchgeführt. Eine Umfrage zu
den aktuellen Herausforderungen bei
der Interkultur-Kompetenz unter knapp
100 Unternehmen ergab weitere Er-
kenntnisse: Diese Unternehmen beschäf-
tigten mehr als 13.000 ausländische
Fachkräfte, davon rund 65 Prozent aus
EU-Ländern und 35 Prozent aus Nicht-
EU-Ländern. Die Unternehmen stellen
im Schnitt knapp 2.000 Fachkräfte pro
Jahr ein. 83 Prozent der Befragten pla-
nen, diese Zahl zu erhöhen.
Hauptsächlicher Grund ist der Fach-
kräftemangel im Inland. 67 Prozent der
befragten Unternehmen geben an, dass
sie keine geeigneten Fachkräfte mehr
finden. Aber auch die geplante inter-
nationale Vernetzung (49 Prozent), die
bewusste Förderung der Diversität (37
Prozent) und der spätere Einsatz im
Ausland (21 Prozent) spielen eine wich-
tige Rolle. Das Argument, ausländische
Fachkräfte seien kostengünstiger, ist
hingegen für 88 Prozent ohne Bedeu-
tung. Ganz offensichtlich haben die
Unternehmen aus den Fehlern der Ver-
gangenheit gelernt. Aber Unternehmen
agieren in einem gesellschaftlichen und
politischen Umfeld, das sie nur begrenzt
beeinflussen können. Was sie selbst für
die Integration tun können, haben die
Unternehmen im Griff. Bleibt das Um-
feld – und das bereitet den Personale-
xperten einiges an Arbeit. Als größte
Stolpersteine für die Beschäftigung aus-
ländischer Fachkräfte nämlich nennen
sie in der TK-Umfrage die Amtssprache
Deutsch, die Bürokratie, das Aufenthalts-
und Arbeitsrecht und die Unterbringung
beziehungsweise Wohnbedingungen.
Methoden und Instrumente
Integration ist keine Hauruck-Aktion.
Das wissen die Personalmanager und
haben Methoden und Instrumente ent-
wickelt, mit denen das innerbetriebliche
Miteinander im Prozess und in kleinen
Schritten verändert werden kann. Vor
der Anwerbung von Fachkräften aus
dem Ausland oder mit Migrationshinter-
Kompetenz und kleine Schritte
Umfrage.
Deutsche Firmen rekrutieren vermehrt im Ausland. Doch wenn es darum
geht, die Angeworbenen hierzulande willkommen zu heißen, gibt es Nachholbedarf.