Seite 18 - personalmagazin_2014_07

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Titel
_Macht
personalmagazin 07 / 14
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
einem Bereich ein internes Aufstiegs-
Assessment-Center aufzwingt, bei dem
80 Prozent der Mitarbeiter durchfallen,
ist das ein unproduktiver Vorgang; oder
wenn die Personalabteilung mit zeit-
raubenden Regeln und auszufüllenden
Vordrucken die Führungskräfte von der
Arbeit abhält, nur um vielleicht den Be-
triebsrat in der Mitarbeiterfreundlich-
keit noch zu übertreffen. In diesen vielen
weiteren Fällen nutzt die Personalabtei-
lung ihre energetische Macht, um die
Energie anderer zu vernichten.
Ist die Personalabteilung ein Weißer
Zwerg, so verdient sie zwar unser Mit-
leid, sie stört aber nicht. Langsam wird
sie verblassen und ihre Energie abge-
ben. Sie hat keine Macht mehr über sich
oder über andere, kann also ihre eigene
strukturelle Hülle nicht stabilisieren.
Sukzessive verliert sie eine Schicht nach
der anderen, wird auf ein Minimum zu-
sammengedrückt und geht irgendwann
in einen sich verflüchtigenden Sternen-
nebel über. Sie geht also zurück in das
System – ihre Tätigkeiten und Aufgaben
werden von anderen Bestandteilen des
Systems übernommen.
Investition in die eigene Zukunft
Wie die Personalabteilung als Roter Rie-
se aussieht, liegt ebenso nahe, wie die
Tatsache, dass hier implizit Wunsch und
Selbstwahrnehmung vieler Personalma-
nager liegen. Gerade deshalb ist es aber
entscheidend, sich zu vergegenwärti-
gen, was alles zu einem Roten Riesen
dazugehört, nämlich an vorderster Stelle
die Fähigkeit zur Systemerhaltung. Ein
Roter Riese sorgt für eine ausgeglichene
Energiebilanz, was aber auch bedeutet,
dass er für sich selbst kämpft und seine
Macht für die eigene Erhaltung einsetzt.
Nur dann kann er eine große Oberflä-
che, eine starke Strahlkraft und eine
entsprechende Temperatur realisieren.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Per-
sonalabteilung in sich selbst investieren
muss, um die Strahlkraft zu erhalten –
analog zum Roten Riesen, der Wasser-
stoff und Helium verbrennt. Personal-
abteilungen als Rote Riesen sind damit
energetisch aufgeladene Machtzentren,
die nichts mit weichgespülten Dienst-
leistungszentren zu tun haben, deren
Fehlen erst dann deutlich wird, wenn
man einen Moderator sucht, der Bach-
blütentee kochen kann. Nur ist im Film
des Wallstreet Journals und in diversen
anderen Publikationen die Personalab-
teilung im günstigsten Fall ein Weißer
Zwerg, der nicht mehr richtig existiert
und dessen Fehlen bald niemand mehr
bemerken wird.
Silicon Valley als Beispiel
Besonders deutlich sieht man diese
Problematik am Silicon Valley, wo stark
ausgebaute Personalabteilungen eher
selten sind. Gerade die Aufgaben der
Personalabteilung im Bereich von Re-
tention und Motivation werden dabei
nicht von anderen Einheiten übernom-
men. Das Ergebnis: Es gibt keine Gravi-
tation, die Mitarbeiter an das Unterneh-
men bindet. Mitarbeiter werden damit
zu extrasolaren Planeten ohne jegliche
Umlaufbahn und driften ohne Beeinflus-
sung durch Gravitationskraft einfach ab.
Dieses fehlende Machtzentrum wird
aber inzwischen durchaus thematisiert:
Exemplarisch dafür steht ein Artikel vom
Mai 2014 aus der „New York Times“, der
explizit sogar mehr bürokratische Steue-
rung durch eine starke Personalabteilung
fordert. Danach sollten sich Personaler
weniger auf das Bereitstellen von Ping-
pong-Tischen und Burritos konzentrieren
und mehr Ordnungsfunktionen wahrneh-
men, was letztlich zu einem besseren Be-
triebsklima und höherer Bindung führt.
Denn eine strategisch sinnvolle Unter-
nehmenskultur bildet sich – anders als es
Techniker in Start-ups glauben – genauso
selten durch Zufall wie eine vernünftige
Personalplanung.
Konsequenzen für Unternehmen
Personalabteilungen sollten sich selbst
auf die drei oben genannten Kategori-
en zuordnen. Davon hängt das weitere
Vorgehen ab: Sicherlich am schwersten
hat es eine Personalabteilung, die als
Schwarzes Loch agiert. Deshalb könnte
man sich auf die Position von Stephen
Hawking zurückziehen, nach dem es
überhaupt keine Schwarzen Löcher gibt
– was aber der personalwirtschaftlichen
Alltagserfahrung widerspricht.
Ebenfalls zu klären ist, ob ein Macht-
vakuum in Form eines Weißen Zwergs
oder seine völlige Auflösung eine zuläs-
sige Option ist. Während im Weltall an-
gesichts der Vielzahl von Sternen eine
gewisse Beliebigkeit existiert, gibt es be-
zogen auf das Unternehmen eine klare
Antwort: Wir brauchen die Personalabtei-
lung, weil sie über ihre Governancefunk-
tion Ordnung und damit Energie bringt.
Sie ist für die Gesamtstruktur erforder-
lich, weil sie es ist, die wie ein Leitstern
die Bewegung der zentralen Ressourcen
– die Menschen - steuert. Weiterhin hilft
sie die Gravitationskraft zu erhöhen, wo-
durch diese Menschen im Orbit des Un-
ternehmens bleiben.
Personalabteilungen als Weiße Zwerge
sind also empirisch äußerst wahrschein-
lich, aber keine Option für ein lebensfä-
higes Unternehmen. Wir brauchen Rote
Riesen. Dafür müssen die Personalabtei-
lungen aber offensiv an sich arbeiten –
an ihrer Rolle und an ihrer Macht: Nur
dann werden sie zu Roten Riesen und
nur dann stiften sie Nutzen.
Prof. Dr. Christian
Scholz
ist Inhaber des
Lehrstuhls für Betriebswirt-
schaftslehre, insbesondere
Organisation, Personal- und Informationsma-
nagement an der Universität des Saarlandes.
Wir brauchen die Per-
sonalabteilung, weil sie
es ist, die wie ein Leit-
stern die Bewegung der
zentralen Ressourcen
im Unternehmen – die
Menschen – steuert.