Seite 16 - personalmagazin_2014_07

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Titel
_Macht
personalmagazin 07 / 14
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
D
ie Systemtheorie sieht Un-
ternehmen als energetische
Zentren mit wechselseitigen
Interaktionen. Diese Zentren –
wozu auch die Personalabteilung gehört
– wetteifern um eine begrenzte Menge
an Ressourcen, stehen also im Wettstreit
miteinander. Sie grenzen sich voneinan-
der ab und versuchen, sich durch Macht
zu verfestigen. Trotzdem sind diese Zent-
ren zur Erhaltung des Unternehmens und
zu seiner Weiterentwicklung gerade in
Von
Christian Scholz
ihrer spezifischen Konstellation notwen-
dig. Würde man ein Unternehmen mit
einer Wärmebildkamera fotografieren,
bekäme man einen Eindruck davon, wie
sich diese Energiezentren verteilen, wo
Energie fließt und wo sie vernichtet wird.
Die gute alte Zeit
Unternehmen waren immer schon ge-
kennzeichnet durch klar abgegrenz-
te und energetisch hoch aufgeladene
Machtzentren: Unternehmensleitung,
Vertrieb, Produktion, EDV und auch Per-
sonalbereich. Diese Abteilungen waren
weitgehend autonome Subsysteme, die
Steuerungsimpulse für das Gesamtsys-
tem generieren konnten und mussten:
Sie hatten gleichzeitig Service- und
Governancefunktionen, waren also zum
einen Dienstleister, zum anderen Len-
kungsinstanz. Die Personalabteilung
hatte dabei eine extreme Macht, die in
Deutschland auch aus der Mitbestim-
mung und anderen gesetzlichen Regeln
entstand. Es gab aber vor allem ein pro-
fessionelles Problemlösungspotenzial
für die Abwicklung von Routineprozes-
sen. Egal ob Entgeltbestimmung oder
Personalentwicklung: Die Personalab-
teilung war gefragter und kompetenter
Ansprechpartner. Hinzu kam ein stabi-
lisierendes Element durch die Rolle als
Schiedsrichter: So wurde man in die
Personalabteilung geschickt, wenn es
dienstliche oder disziplinarische Pro-
bleme gab. Man ging auch selbst dort
hin, wenn man Schwierigkeiten hatte.
Diese „gute alte Zeit“ ist Vergangenheit.
Die neue radikale Entwicklung
Der Fernsehkanal vom Wallstreet Jour-
nal zeigte im April 2014 den Beitrag
„What happens when there’s no HR De-
partment?“. Er griff einen Trend aus den
USA auf, wonach immer mehr Unterneh-
men Personalarbeit an Führungskräfte
sowie an externe Dienstleister auslagern
und letztlich ihre Personalabteilung
schließen, also auf dieses Machtzent­
rum verzichten. Der Film stellt das
Auflösen der Personalabteilungen nicht
infrage, sondern thematisiert die damit
verbundenen Konsequenzen: Wer wird
sich jetzt darum kümmern, wenn die Ge-
Schwarzes Loch oder Roter Riese
ESSAY.
Von allein entsteht Macht nicht. Die Personalabteilung muss sie sich erarbei­
ten, wenn sie ihren Platz im Unternehmensuniversum erhalten und ausfüllen will.
© Bruce Rolff / shutterstock
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