Seite 74 - personalmagazin_2014_04

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Recht
_haftung
H
ätte, hätte, Fahrradkette. An
diesen flapsigen Spruch fühlt
sich so mancher Arbeitnehmer
erinnert, der nach Eintritt in
den Ruhestand ausrechnet, was er denn
an mehr Versorgung gehabt hätte, wenn
er eine Zusatzversorgung abgeschlossen
hätte. Eigentlich eine fruchtlose Überle-
gung, die in der Regel mit dem Spruch
von der Fahrradkette zur Seite gelegt
werden muss. Anders ist dies dann,
wenn der Arbeitnehmer vortragen und
beweisen kann, dass es sein Arbeitge-
ber war, der die Pflicht gehabt hätte, ihn
rechtzeitig auf die Möglichkeit einer Zu-
satzversorgung aufmerksam zu machen.
Dann könnte es sich im Einzelfall um die
Verursachung eines sogenannten Versor-
gungsschadens handeln, für den dann
der Arbeitgeber einzustehen hat. Besteht
eine solche Beratungspflicht aber schon
deswegen, weil es einen gesetzlichen
Entgeltumwandlungsanspruch gibt? Um
diese Frage ging es in einem langjährigen
Verfahren, das Anfang 2011 vor dem Ar-
beitsgericht Offenbach begann und mit
Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
vom 21. Januar 2014 unter dem Aktenzei-
chen 3 AZR 807/11 sein Ende fand.
Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers
Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der
nach Ausscheiden aus dem Betrieb Über-
legungen anstellte, wie seine Versorgung
denn aussehen würde, wenn er neun
Jahre lang auf einen Teil seines Entgelts
verzichtet und stattdessen in eine Direkt-
versicherung einbezahlt hätte. Auf diese
Von
Thomas Muschiol
(Red.)
Möglichkeit hätte ihn der Arbeitgeber
aufmerksammachen müssen, meinte der
Klagende. Alle drei arbeitsgerichtlichen
Instanzen sahen dies jedoch anders. Sie
lehnten eine „ungefragte“ Hinweispflicht
auf den gesetzlichen Entgeltumwand-
lungsanspruch ab und sahen auch kei-
nen Schuldvorwurf für ein spezielles
haftungsbegründendes Vorverhalten.
Dass das Urteil in der Praxis große
Erleichterung ausgelöst hat, liegt auf
der Hand. Hätte das BAG anders ent-
schieden und in den Entgeltumwand-
lungsanspruch die generelle Pflicht
hineininterpretiert, jeden Mitarbeiter
auf diese Möglichkeit hinzuweisen, so
wären die Folgen unabsehbar gewesen.
Dann wären wohl zahlreiche Haftungs-
prozesse aus dem seit 2002 bestehenden
Entgeltumwandlungsanspruch die Folge
gewesen. So bleibt zwar das bisherige
Risiko, bei besonderen Sachverhalten in
Haftung genommen zu werden (siehe
nebenstehendes Interview), die Gefahr,
ohne entsprechenden Nachweis generell
zu haften, ist jedoch gebannt.
BAG beschränkt Beratungspflicht
Urteil.
Arbeitgeber können wie Berater in Haftung genommen werden. Sie müssen
jedoch nicht von sich aus auf einen Entgeltumwandlungsanspruch hinweisen.
© michael bamberger
Arbeitgeber müssen nicht von sich aus auf den Entgeltumwandlungsanspruch hinweisen.