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personalmagazin 04 / 14
deutlich erschwert, offen mit den Belas
tungen umzugehen und frühzeitig Un
terstützungsangebote wahrzunehmen.
Diese Angebote könnten allerdings sehr
wirksam dabei helfen, langfristige Er
krankungen und damit auch Ausfälle zu
verhindern.
personalmagazin:
Nun gibt es ja immer
mehr Online-Tools, die versprechen,
Aufschluss über die gegenwärtige kör-
perliche oder auch seelische Verfassung
zu geben. Arbeitgeber oder auch der
Mitarbeiter selbst sollen so feststellen, ob
sie zu sehr unter Stress stehen. Kann das
überhaupt funktionieren?
Arimond:
Die wissenschaftliche For
schung ist bereits seit Jahrzehnten dem
Stress auf der Spur. Heute kann man
konstatieren, dass stabile Konzepte und
Instrumente vorliegen, die es erlauben,
wissenschaftlich abgesicherte Aussagen
über das jeweilige Stressniveau eines
Anwenders zu treffen und Rückschlüs
se über Ursachen von Stress abzuleiten.
Wie sich gezeigt hat, sind wir alle in
dividuell ganz unterschiedlich anfällig
für Stress. Entscheidend für ein stabiles
Screening sind dabei einmal die wahr
genommenen Stressoren, wie etwa Ter
min- und Zeitdruck, zum anderen aber
auch die Stressreaktion. Diese Aspekte
können verschiedenartig gemessen
werden. Dazu werden Fragebögen, die
Sprache oder physiologische Parameter
herangezogen – allesamt mit sehr va
liden Ergebnissen. Zudem bieten viele
Anwendungen den Vorteil, dass sie on
line variabel verfügbar und damit sehr
benutzerfreundlich einsetzbar sind, was
„Dem Stress auf der Spur“
INTERVIEW.
Ein Psychologe erklärt, ob Online-Tools zur Stresserkennung halten, was
sie versprechen und welche Rolle sie im Gesundheitsmanagement spielen können.
personalmagazin:
Das Thema „Stress“
scheint eine immer bedeutendere Rolle
im betrieblichen Gesundheitsmanage-
ment zu spielen. Inwieweit ist es sinnvoll
für Arbeitgeber, den Stress ihrer Mitarbei-
ter zu messen?
Fabian Arimond:
Die Zahlen des alljähr
lichen Stressreports und die Gesund
heitsreports der Krankenkassen ma
chen eines deutlich: Stress und die mit
ihm assoziierten Erkrankungen befin
den sich auf dem Vormarsch. Durch Ver
änderungen in den Arbeits- und Lebens
verhältnissen vieler Menschen kommt
es zu einem starken Anstieg eines als
chronisch zu bezeichnenden Stressle
vels der Betroffenen. Chronischer Stress
ist dabei auch immer mit der allgemei
nen Gesundheit verknüpft, da er die
Wahrscheinlichkeit für eine psychische
oder körperliche Erkrankung deutlich
erhöht.
Insofern verwundert es nicht, dass etwa
der Anteil der auf psychische Ursachen
zurückgehenden Frühverrentungen seit
Jahren massiv ansteigt – zuletzt auf 41
Prozent. Die Betroffenen sind dabei so
jung wie bei keiner anderen Erkran
kung – im Durchschnitt 48 Jahre. Führt
man sich zusätzlich noch vor Augen,
dass psychisch bedingte Krankheits
ausfälle mit nahezu 40 Tagen fast drei
fach so hoch ausfallen wie bei anderen
Erkrankungen (13,5 Tage), wird schnell
deutlich, dass damit auch massive Kos
ten für unsere Gesellschaft insgesamt
verbunden sind. Um einen Zugang zu
schaffen, setzen verschiedene Ansätze
daran an, Stress – besonders in seiner
chronischen Form – und seine Ursachen
und Auswirkungen zu messen, um bei
Belastungen geeignete Präventions- und
Gesundheitsförderungsprogramme an
zubieten oder die Gestaltung von Arbeits
plätzen zu verbessern.
personalmagazin:
Es geht also nicht darum,
bestimmten Personen ein konkretes
Stresslevel zuzuschreiben, sondern eher
darum, Ansatzpunkte zur Stressvermei-
dung zu finden?
Arimond:
Im Prinzip ja. Trotz einiger pro
minenter Fälle hat sich leider nichts an
der Einstellung gegenüber psychischen
Erkrankungen geändert. Psychisch er
krankt zu sein, ist in unserer Gesell
schaft immer noch mit einem Stigma
verbunden, das es für die Betroffenen
Fabian Arimond
ist Diplom-Psychologe
und leitet den Bereich Gesundheit und
Prävention bei der Psyware GmbH.
© Arimond
Spezial
_Gesundheitsmanagement