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Geht es um analytische Kenntnisse, die
bereits im Personalbereich vorhanden
sind, so räumt Josh Bersin vor allem den
Wirtschafts- und Organisationspsycho-
logen gute Chancen ein, aufgrund ihrer
Statistikkenntnisse und Kenntnisse in
Datenanalyse diesen Bereich zu besetzen
und weiter auszubauen. Insbesondere
Psychologen mit großer Erfahrung in der
Talentsegmentierung und der Kopplungs-
analyse (Bestimmung, welche Faktoren
das Auftreten anderer Faktoren verursa-
chen) könnten besonders gut punkten.
Rechtzeitig beginnen
Für Josh Bersin ähnelt der Umgang mit
Big Data einer Reise, die erst am Ziel zu
den gewünschten Ergebnissen führt. Sein
Credo: „Es ist kein Projekt, sondern ein
Prozess, der ein interdisziplinäres Team,
enge Kontakte zu anderen Analyse-Teams
im Unternehmen sowie eine starke Bin-
dung zwischen Linienmanagement und
oberster Führungsebene im Unterneh-
men erfordert.“ Deshalb mahnt er Unter-
nehmen, umgehend in die Reise in die
Welt von Big Data und Talent Analytics
zu investieren. Eigene Untersuchungen
zeigten, dass es einige Jahre dauert, um
das HR-Team in eine gut funktionierende,
strategisch wertschöpfende und analy-
tisch arbeitende Funktion umzubauen.
Unternehmen, die sich hier engagier-
ten, so Bersin, entwickelten ihr eigenes
Fachwissen und Verständnis für ihr Un-
ternehmen, was zwar meist sehr unter-
nehmensspezifisch, hoch proprietär, aber
gleichzeitig sehr leistungsfähig sei.
Auch die notwendige Qualifizierung
der benötigten Mitarbeiter spreche für
einen frühen „Reisebeginn“. Denn die
Mitarbeiter, die momentan in den Un-
ternehmen Reporte erstellen, seien sel-
ten Analysten, sondern eher IT- oder
Datenbankexperten. Die neu benötigte
analytische Funktion erfordere viele zu-
sätzliche Fähigkeiten und Werkzeuge,
die zu den Kenntnissen der HR-Analyti-
ker hinzugefügt werden müssten. Daten-
wissenschaftler und Big-Data-Entwickler
sind Experten, die organisatorisch der
IT-Abteilung zugeordnet sind, die indes-
sen weitere oder andere Aufgaben im
weiten Spektrum von Big Data beherr-
schen müssen.
Gesuchte Qualifikationen
Die Qualifikationen, die für die neuen
Datenberufe gefordert werden, wird auf
absehbare Zeit kaum jemand umfas-
send mitbringen. Welche Ausbildung
oder welcher Studiengang vermittelt
heute etwa Qualifikationen, die Holm
Landrock, Senior-Berater der Experton
Group für Data Scientists, fordert: Eine
Querschnittsausbildung mit Kenntnis-
sen aus Mathematik, IT, Datenbanken,
Grundlagen der Informationstechnik,
Unternehmensstrukturen und Unter-
nehmensführung, Psychologie, Technik
und Medien?
Auch für den sogenannten „Data Ar-
tist“ verlangt er eine Zusatzausbildung
in Grafikdesign, Psychologie, Mathe-
matik, IT und Kommunikation. Und
Big-Data-Entwickler müssen laut Com-
puterwissenschaftler Pavlo Baron unter
anderem über Kenntnisse analytischer
Verfahren und „Machine Learning“ ver-
fügen, um zu wissen, wie Algorithmen
trainiert werden. Dazu benötigen sie
einen wissenschaftlichen Hintergrund
oder einen gewissen Forscherdrang, weil
sie die Werkzeuge, mit denen sie arbei-
ten, auch in der technischen Tiefe be-
herrschen müssen. Auf lange Sicht wird
den Unternehmen daher nichts anderes
übrig bleiben, als die Big-Data-Analytik
mit interdisziplinär zusammengesetzten
Teams zu bewältigen.
An dieser Problematik lässt sich un-
schwer erkennen, welche Anforderun-
gen auf die Personalentwicklung in
den Unternehmen zukommen. Solange
man die Experten mit dem Mikroskop
auf dem Arbeitsmarkt suchen muss, rät
das US-Magazin Informationweek so-
gar dazu, sich diese Mitarbeiter gegen-
seitig auszuleihen oder sie mit satten
Gehältern abzuwerben. Allerdings: Die
meisten der gesuchten Datenexperten
wissen laut Informationweek um die
Chancen, die dieses Thema für sie bietet,
und wollten deshalb lieber ihre eigene
Firma gründen, anstatt für ein einziges
Unternehmen tätig zu werden.
Neue Studiengänge
Um der immensen Nachfrage langfristig
nachkommen zu können, bieten immer
mehr Universitäten spezifische Zusatz-
qualifikationen und Studiengänge an.
Die McCormick School of Engineering
an der Chicagoer Northwestern Univer-
sity hat kürzlich einen 15-monatigen
Master-Science-Studiengang in Analytik
(„Master of Science in Predictive Ana-
lytics“) vorgestellt, der im September
2012 startete und von 170 Studenten
besucht wird. Sogar IBM spendete der
Schule 40.000 Dollar und überließ ihr
ihre SPSS-Software zur freien Nutzung.
Auch andere Sponsoren wie das SAS In-
stitute und Teradata beteiligen sich.
Die State University of North Carolina
bietet einen derartigen Studiengang seit
einigen Jahren an. Und Universitäten
wie Stanford, Berkeley sowie europä-
ische Hochschulen, beispielsweise in St.
Gallen, Lüneburg und Münster, richten
sich mit entsprechenden Studiengängen
auf die neuen beruflichen Anforderun-
gen ein.
Darüber hinaus bieten mittlerwei-
le auch einige Unternehmen entspre-
chende Qualifizierungsmaßnahmen an.
So veranstaltet das SAS Institute ein
zehntägiges Seminar, in dem die Teil-
nehmer das Handwerkszeug eines Da-
tenanalysten erlernen können.
„Es dauert Jahre, um
das HR-Team in eine gut
funktionierende, strate-
gisch wertschöpfende,
analytisch arbeitende
Funktion umzubauen.“
Josh Bersin, Geschäftsführer und Gründer
von Bersin by Deloitte
Ulli Pesch
ist Journalist in Heimstetten
bei München.