Seite 16 - personalmagazin_2013_03

Basic HTML-Version

16
Titel
_big data
personalmagazin 03 / 13
und -Expertise auftreiben können, wie
soll das dann den Personalabteilungen
gelingen?“, fragt der Marktforscher pro-
vokant. Und Pavlo Baron, Computerwis-
senschaftler und Sachbuchautor, fügt
hinzu: „Das eigentliche Problem ist, dass
sie nicht wissen, wie und wofür sie Daten
sammeln können, welche Business Cases
daraus resultieren oder welche Erspar-
nisse möglich sind. Sie sind es gewohnt,
die Daten strukturiert zu organisieren,
was bei dem Chaos von Web-Daten nicht
möglich ist.“
Welche HR-Daten wie analysieren?
Es stellt sich zunächst die Frage nach ei-
ner praktikablen Durchführung: Welche
HR-Daten sind überhaupt für die Analy-
se in Big Data von Bedeutung? Antwort:
alle personalbezogenen Daten. Neben
den demografischen Daten sind es alle
arbeitsplatzbezogenen und Leistungs-
daten, Daten über Qualifikationen und
Fertigkeiten, Entgeltdaten, Daten über
die Mitarbeiterentwicklung, Stammda-
ten, Daten aus der Zeiterfassung, aus
Recruiting-Aktivitäten und vor allem
Daten aus sozialen Netzwerken. Zu letz-
teren gibt es geteilte Meinungen. Die
meisten Experten sind der Ansicht, dass
die Analyse von Big Data insbesondere
wegen des wachsenden Anteils von un-
strukturierten Daten – etwa aus sozialen
Netzwerken – an Bedeutung gewinnt.
Josh Bersin hält dagegen: „Daten aus so-
zialen Netzwerken werden erst mit der
Zeit wichtig, denn um das Wesen ihrer
Mitarbeiter und Talente zu verstehen,
haben die Unternehmen gegenwärtig
genügend interne Daten für ihr Daten-
Mining.“ Laut Bersin kann „Predictive
Analytics“ (prognostizierende Analytik),
mit der Modelle entwickelbar sind, die
in der Zukunft liegende Ereignisse oder
Verhalten prognostizieren können, den
größten Nutzen aus riesigen Datengebir-
gen herausziehen.
Vorteile für deutsche Firmen
Auch wenn in allen HR-Organisatio-
nen, in denen Big Data ein Thema ist
oder werden soll, Datenwissenschaftler
(„Data Scientists“) händeringend benö-
tigt werden, sieht Thomas Otter einen
leichten Vorteil deutscher Unternehmen
gegenüber ihren ausländischen Wettbe-
werbern: „In vielen deutschen Unterneh-
men gibt es schon lange die Position des
Personalcontrollers, der beispielsweise
schon immer Modelle über alternde
Belegschaften und andere personalre-
levante Analysen durchführt.“ Das be-
deute nicht, dass diese gut seien, so der
international renommierte Analyst, aber
die Personalcontroller seien mit ihrem
Wissen den anderen voraus. „Denn eine
derartige Position gibt es in den HR-Ab-
teilungen ausländischer Unternehmen
meines Wissens nicht“, sagt er.
Es gibt inzwischen einige Beispiele dafür, wie Big Data im Personalbereich Erfolg
bringend umgesetzt werden kann. Drei davon werden hier vorgestellt.
Die Leitung eines Großhandelsunternehmens entschied sich dafür, das interne HR
Analytics Team immer dann zu konsultieren, wenn Veränderungen in der Organisati-
onsstruktur anstanden. Das Team verfügte bereits über Daten und Modelle zu Stärken
und Schwächen im Management und zur Fragestellung, weshalb die Leistung der
Mitarbeiter in den unterschiedlichen Niederlassungen unterschiedlich ist. Der Leiter
des Analytik-Teams übernahm die neu geschaffene Funktion „Organisationsdesign“,
die unter anderem einen Überblick über die Kontrollreichweite der einzelnen Ma-
nagementeinheiten und Muster von Talentbewegungen hat und die unterschiedlichen
Vergütungsvarianten von allen Abteilungen und Teams im Unternehmen kennt. Mithilfe
von Grafikwerkzeugen lässt sich nun darstellen, wo die Kontrollreichweite der einzelnen
Managementeinheiten und Funktion zu stark oder zu schwach ist. Das Unternehmen
kann genau sehen, wo sich die vorhandenen Talente bewegen, ob sie das Unterneh-
men verlassen oder wo die Mobilität der Talente in höhere Positionen gut oder weniger
gut ausgeprägt ist. Das gibt der Unternehmensführung Erkenntnisse darüber, wann sie
Organisationsprozesse konsolidieren oder erweitern und wann sie neue Führungskräfte
fördern oder dort Strukturen reorganisieren sollen.
Das Technologieunternehmen Xerox konnte die eigene Mitarbeiterfluktuationsrate in
allen seinen Callcentern um etwa 50 Prozent reduzieren, nachdem es Big Data für die
Überprüfung von Bewerbungen einsetzte. Früher hatte das Unternehmen Personen auf
Basis ihrer Praxiserfahrungen eingestellt. Doch die Daten zeigten, dass für die Tätigkeit
im Callcenter die Persönlichkeit eine größere Rolle spielt als die Praxiserfahrung. Wäh-
rend kreative Menschen meist für mindestens sechs Monate im Unternehmen bleiben,
verlassen wissbegierige Menschen das Unternehmen oftmals deutlich früher.
In einem anderen Unternehmen war das Team der HR-Analytiker aus ihrer ursprüngli-
chen Aufgabe – der Personalplanung – herausgewachsen. Nach rund drei Jahren hatte
das Team Recruiting-Modelle entwickelt, die in der Lage waren, Arbeitsmarktdaten,
Gehaltsdaten und Informationen über Fähigkeiten externer Personen miteinander zu
korrelieren, um auf diese Weise lokale Rekrutierungsstrategien in der ganzen Welt zu
entwickeln. Mittlerweile ist das Team so versiert, dass es die internen Mitarbeiterbe-
wegungen mit denselben Methoden, mit denen es externe Arbeitsmärkte analysiert,
erforschen kann.
Big Data in der Praxis
Praxisbeispiel
Drei Beispiele