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Organisation
_Vergütung
personalmagazin 11 / 13
Armin von Rohrscheidt
leitet die HR-Management-
Beratung bei MHP in Lud-
wigsburg.
Leistungsentgelt aus bisherigen Syste-
men kamen, beispielsweise wenn sie
zuvor per Akkordlohn vergütet wurden.
Allerdings waren auch zahlreiche kauf-
männische Funktionen betroffen. Oft
wurde bei der Einführung des Era-Leis-
tungsentgelts ein Absicherungs- oder
Abfederungsmechanismus eingesetzt.
Die Grundlogik sah dann meist vor,
dass die Differenz zwischen dem alten
und neuen Leistungsentgelt ermittelt
und dann weitergezahlt wurde, zum
Beispiel in Form einer tarifdynamischen
Zulage.
Die Sinnhaftigkeit einer solchen Ab-
sicherung darf hinterfragt werden, da
dies mit Leistungsorientierung nichts
mehr zu tun hat. Doch auch hier war
man vielerorts kreativ und drehte es bei
der ersten Beurteilungsrunde so, dass
abzusichernde Differenzen gar nicht
erst entstanden. Damit hatte man sich
zwar Zeit erkauft – das Problem blieb
unangetastet. Die meisten Altfälle sind
auch in den Folgejahren nicht angefasst
worden. Führungskräfte mieden lieber
die auf sie delegierte Konfrontation, was
die Entgeltsumme unabhängig von der
gezeigten Leistung künstlich hochhielt.
Ein weiterer besonders kritischer
Punkt ist die Alterssicherung. Von au-
ßen erschließt es sich niemandem, wie
die Tarifparteien vereinbaren konnten,
einem Mitarbeiter ab 54, also volle 13
Jahre vor Ende seiner Lebensarbeitszeit,
eine vollständige Entgeltsicherung zu
gewähren – besonders im Leistungsent-
gelt. Es mag sein, dass die Leistungsfä-
higkeit, besonders die körperliche, mit
zunehmendem Alter abnimmt. Dies gilt
besonders für Tätigkeiten mit schwers-
ten körperlichen Anforderungen, et-
wa in einer Gießerei. Aber wie ist das
bei kaufmännischen Mitarbeitern am
Schreibtisch? Ist deren Leistungsgren-
ze auch mit 54 erreicht? Viele Beispiele
belegen, dass in diesem Alter oftmals
erst die Hochphase der Leistungsfähig-
keit beginnt. Wie erklärt man da der
Generation Y, dass ältere Kollege sich
nicht mehr anstrengen müssen, da sie
ohnehin altersgesichert sind – und dies
schon viele Jahre vor der Rente?
Mögliche Lösungsansätze
Fest steht, dass es eine Überarbeitung
des Tarifvertrags geben sollte, um die
genannten Schwächen, die sich in der
Praxis gezeigt haben, zu beheben. In-
nerbetriebliche Gespräche anlässlich
der wieder zunehmend nachgefragten
Era-Beratungsleistungen zeigen, dass
die Betriebsparteien die Probleme ähn-
lich sehen, aber aufgrund der tariflichen
Rahmenbedingungen nicht handeln
können. Im Fokus der Vergütungsge-
staltung muss eine echte Leistungsori-
entierung stehen. Ist diese nicht mög-
lich, sollte man über eine neue Form
der Zulage nachdenken, die weniger
administrativen Aufwand erzeugt. Auch
wenn dieser Vorschlag nicht dem Geist
der Leistungsorientierung entspricht,
zeigt er doch den Kern des Problems.
Den zweiten großen Hebel haben die
Unternehmen glücklicherweise selbst
in der Hand: Sie können die bisherigen
betrieblichen Lösungen komplett revi-
dieren und ein echtes Leistungsentgelt
einführen – mit Methoden, die dem
Unternehmenszweck gerecht und die
wirklich gelebt werden. Dies erfordert
Investitionen in Führungskräfte, Pro-
zesse, Kommunikation und Infrastruk-
tur. Dazu gehört auch, Führungskräfte
dahin zu bringen, dass sie wirklich füh-
ren können und wollen. Man muss ihnen
aber zudem auch die zeitlichen Freiräu-
me einräumen, um im Alltag wirksam
zu führen. Nicht zuletzt muss die Pro-
zessunterstützung, etwa durch moderne
Softwarelösungen, gegeben sein. Die
noch nachvollziehbaren Altfälle müssen
geklärt und das System wieder in Gang
gesetzt werden.
Mit dem Tarifvertrag über das Entgelt-Rahmenabkommen (Era-TV) wurde 2003 ein
neues Vergütungssystem in der Metall- und Elektroindustrie geschaffen.
Das Hauptziel war, die jahrelange Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten
und die damit verbundenen Brüche zu beseitigen und ein neues, zeitgemäßes Vergü-
tungssystem zu schaffen. Seit Ende Ende 2009 ist Era nun in allen elf Tarifgebieten der
Metall- und Elektroindustrie eingeführt, zuletzt in Bayern.
Danach folgt die Grundentgeltermittlung fortan der Logik, dass die Wertigkeit der Stelle
die Vergütung bestimmt und nicht mehr die persönlichen Eigenschaften des Mitarbei-
ters. Die Eingruppierung erfolgt durch ein festgelegtes Bewertungsverfahren, das ent-
weder die Arbeitsaufgabe als solche in kleingeteilten Abschnitten bewertet (= Analytik)
oder die Einteilung anhand abstrakter Begriffe wie beispielsweise Schwierigkeit der
Arbeitsaufgabe oder erforderliche Berufserfahrung vornimmt (= Summarik).
Die Mitarbeiter können nun nur noch das Leistungsentgelt direkt beeinflussen, da hier
die tatsächlich erbrachte und individuell festgestellte Leistung im Mittelpunkt steht.
Abhängig vom Tarifgebiet kann das Leistungsentgelt zwischen 10 bis 30 Prozent der
Gesamtvergütung ausmachen.
Betroffen von Era sind aktuell etwa 1,8 Millionen Arbeitnehmer, was einer Entgeltsum-
me von circa 150 Milliarden Euro entspricht.
Nachdem die anfänglichen Schwierigkeiten in der Grundentgeltfindung nun überwun-
den scheinen, flammen die Probleme in der Ermittlung des Leistungsentgelts nun in der
betrieblichen Praxis erst richtig auf.
Leistungsentgelt nach Era
Praxisbeispiel
Hintergrund
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