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Titel
_Projektmanagement
personalmagazin 11 / 13
D
ie Projektbruchlandung kos­
tete das Medizintechnik­
unternehmen
über
40
Millionen Euro. Es wollte ein
neuartiges Diagnosegerät entwickeln.
Neun Monate nach dem fulminanten
Start gabe es die ersten Probleme. Die
Ingenieure tüftelten vergeblich an dem
neuen Analysesensor. Es fehlte an
Know-how, um die neue Technologie
produktionsreif zu machen. „Weder im
Unternehmen verfügten wir über die
benötigten Spezialisten, noch waren
welche auf dem Markt zu bekommen“,
erklärte die Personalabteilung, „auf
dieses Risiko haben wir von Anfang an
hingewiesen.“ Doch statt das Projekt
klugerweise abzubrechen, versenkte
das Team noch hunderttausende Euro in
hoffnungslose Rettungsversuche.
Meist nur technische Risiken im Fokus
Kein Projektmanager gibt gerne auf.
Doch irgendwann ist es klüger, aufzu­
hören. Um den richtigen Zeitpunkt zu
finden, einem hoffnungslosen Projekt
den Stecker zu ziehen und Verluste zu
begrenzen – dabei kann Risikomanage­
ment helfen. Doch Fachleute betonen
auch: Das Projektmanagement soll nur
im äußersten Fall das Signal zum Ab­
bruch geben. Eigentlich soll es helfen,
Gefahren zu vermeiden und Projekte
wetterfest gegen Risiken zu machen.
Also, um beim oben genannten Beispiel
zu bleiben, sollte es früh das Risiko er­
kennen, dass Spezialisten für das Projekt
fehlen werden, um Vorsorge zu treffen.
Von
Dagmar Börsch
Soweit die Theorie. In der Praxis wol­
len sich nur wenige Projektmanager kon­
sequent mit den Risiken ihres Projekts
auseinandersetzen. Manche befassen
sich mit den technischen Unwägbar­
keiten ihres Vorhabens, etwa damit, ob
bei einer neuen Technologie der Sensor
haltbar genug ist. Sie laden ihre Mitarbei­
ter zu Risiko-Workshops ein und arbeiten
Checklisten ab. Aber Projektexperten be­
stätigen einhellig, dass an technischen
Problemen heute die wenigsten Projekte
scheitern.
Die Gefahren lauern in der Regel wo­
anders – nämlich in der Umgebung des
Projekts: Oft kommt es zu Querfeuer von
Projektgegnern, die Unterstützung im
Unternehmen bleibt aus, die Machtver­
hältnisse wechseln ständig, es entstehen
kulturelle Probleme mit internationalen
Partnern, die Kommunikation kommt
ins Stocken, Kompetenzstreitigkeiten
bilden sich heraus und Entscheidungen
werden schlichtweg nicht getroffen oder
Spezialisten fehlen, weil diese bei der
jüngsten Sparrunde einfach freigesetzt
wurden.
08/15-Prozesse taugen nicht
Projekte sind heute größer und kom­
plexer als noch vor zehn Jahren. Immer
mehr Partner beteiligen sich, immer
mehr Gruppen sind einzubeziehen,
immer häufiger spielen Machtfragen
eine Rolle und wirken äußere Umstän­
de auf das Projekt ein. Allein mit seiner
technischen Kompetenz und einer Ri­
sikoanalyse nach Schema F kommt ein
Projektmanager nicht weit. Er braucht
organisatorische, strategische, politi­
Risiko erkannt, Gefahr benannt
METHODE.
Wer die Risiken erkennt, kann reagieren, wenn der Ernstfall eintritt.
Dafür braucht es aufmerksame, geschulte Mitarbeiter mit Methodenwissen.
sche und kulturelle Analysen der Umge­
bung eines Projekts.
„Wir müssen Projekte heute als hoch­
sensibles soziales System betrachten“,
erklärt der Projektmanagement-Berater
Dr. Klaus Wagenhals von Metisleader­
ship. Wichtige Fragen, die hierfür zu
analysieren sind: Welche Einflüsse kön­
nen dem Projekt aus dem System heraus
gefährlich werden? Wie kann der Pro­
jektmanager bewirken, dass diese Ein­
flüsse neutral oder gar unterstützend
wirken? An welchen Stellen bedroht das
Projekt sein Umfeld, wie etwa wichtige
Interessengruppen, Abteilungen oder
auch lieb gewonnene Arbeitsprozesse?
Und auch: Wie geht der Projektmanager
selbst mit Risiken um, was ist er für ein
Risikotyp? „Dafür sind Erfahrung, In­
tuition und persönliche Führungskraft
erforderlich“, so Wagenhals.
Bestandsaufnahme des Projekts
Ein versierter Projektmanager geht
beim Risikomanagement in der Regel in
fünf Schritten vor. Zunächst führ er eine
Was-wäre-wenn-Szena­
rien helfen weiter, so
zum Beispiel: Welches
Szenario muss eintre­
ten, dass als sinnvoller
Ausweg nur noch der
Projektabbruch bleibt?