Seite 18 - personalmagazin_2013_11

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Titel
_Projektmanagement
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durch den Projektabbruch haben wir
natürlich auch Folgekosten vermieden,
die sich über die Jahre summiert hätten.
personalmagazin:
Und welche Folgen hatte
das für den Projektleiter?
Vogel:
Außer dass er ein anderes Projekt
übernommen hat – keine. Schließlich
sorgt unsere hoch standardisierte Gate-
Methode dafür, dass stets transparent
ist, wie ein Projekt verläuft und warum
es abgebrochen wurde. Alle Gates wer-
den nur mit offizieller Genehmigung
passiert und der gesamte Verlauf wird
in Reportings dokumentiert. Wir befin-
den uns also stets auf einer sachlichen
Argumentationsebene. Auf diese Weise
entstehen keine Schuldzuweisungen.
Wir nehmen die internen und externen
Projektleiter aus der Schusslinie und
sorgen dafür, dass sie entlastet werden.
personalmagazin:
Lassen sich denn auf
diese Weise auch positive Konsequenzen
aus Projektabbrüchen ziehen?
Vogel:
Ja, auf jeden Fall. Wir ziehen aus
einem Projektabbruch immer wichtige
Erkenntnisse, die zum Beispiel dazu
beitragen, unsere Projektmethodik zu
verfeinern. So können wir beispielswei-
se in die Gates zusätzliche Zielvorgaben
einbauen. Wenn abhängige Projekte vor-
handen sind, ist ein Abbruch natürlich
auch ein Frühwarnsystem. Und schließ-
lich lassen sich durch die ausführliche
Dokumentation Projekte nur auf Eis
legen oder unter etwas veränderten Be-
dingungen neu starten.
„Aus der Schusslinie nehmen“
INTERVIEW.
Im EADS-Tochterbetrieb Cassidian verläuft das Projektmanagement hoch
standardisiert. Das schafft Transparenz und lässt rechtzeitige Projektabbrüche zu.
personalmagazin:
Sie haben den Überblick
über die zahlreichen Cassidian-Projekte.
Wie oft müssen Sie Projekte abbrechen?
Winfried Vogel:
Von 80 vorgeschlagenen
Projekten führen wir etwa 40 Projekte
pro Jahr durch. In diesem Jahr haben wir
davon bisher zwei Projekte gestoppt und
ein weiteres unter geänderten Bedin-
gungen neu gestartet.
personalmagazin:
Wie controllen Sie die
Projekte?
Vogel:
Einerseits erhalten wir monatli-
che Reportings von den Projektleitern.
Andererseits nutzen wir die sogenannte
„Quality-Gate-Methode“. Diese sieht ins-
gesamt sieben Gates vor, die die Projekte
passieren müssen. Für jedes Gate sind
bestimmte Ziel­e zu erfüllen. So müssen
im ersten Gate der Projektauftrag geklärt
sowie Kosten und Zeitrahmen definiert
sein. In jedem weiteren Gate müssen die
Projektleiter jeweils ihre Konzepte und
Ergebnisse dem „Quality Gate Reviewer“
zur Genehmigung vorlegen. Ein Projekt
kann jederzeit gestoppt werden, wenn
die Vorgaben der Gates nicht eingehal-
ten werden können.
personalmagazin:
Wie kam es dann zu
dem letzten Projektabbruch?
Vogel:
In diesem Fall sollte eine Webshop-
Applikation entwickelt werden. Das Pro-
jekt hatte bereits die ersten beiden Gates
passiert. Im Gate fünf, das sehr oft ent-
scheidend ist für einen Projektabbruch,
mussten – wie vorgeschrieben – die tech-
nische Lösung sowie das Servicekonzept
nach Einführung der Applikation für den
Kunden geklärt und genehmigt werden.
Das Projekt passierte zunächst das Gate
mit Auflagen. Danach stellte sich heraus,
dass die geplanten Servicekosten für den
Kunden zu hoch waren. Darum wurde
das Projekt gestoppt.
personalmagazin:
Wie hoch waren die
Investitionen bis dahin?
Vogel:
Bis Gate fünf sind meist schon 15
bis 20 Prozent der Kosten entstanden. Das
war auch bei diesem Projekt in etwa so.
personalmagazin:
Eigentlich also ein voller
Misserfolg …
Vogel:
Wenn man die bis dahin entstan-
denen Kosten betrachtet, schon. Aber
Winfried Vogel
ist in der Funktion
„Project Management Governance“ für die
Auswahl von Projektmanagern und die Ein-
haltung der Projektmethoden bei Cassidian
Information Management verantwortlich.
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.