Seite 74 - personalmagazin_2013_04

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personalmagazin 04 / 13
Recht
_gleichbehandlungsgesetz
es jedoch auch Ausdruck eines niedri-
geren Rangs mit einem geringeren Ver-
antwortungsbereich bedeuten. „Junior“
bedeutet dann insoweit nur, dass der Be-
treffende in einem Team höherrangigen
Mitarbeitern unterstellt ist.
personalmagazin:
Wie sieht es mit dem
Einwand eines Bewerbers aus, dass über
40-Jährige schlechte Chancen auf dem
Arbeitsmarkt haben?
Tiesler:
Dem kann man durchaus auch
Studien entgegensetzen, denen zufolge
viele Arbeitgeber sogar sehr gerne Be-
werber einstellen, die bereits älter als
­40 Jahre sind.
„Junior muss nicht jung heißen“
INTERVIEW.
Wie können Unternehmen mit den Folgen des „Young-Professional-Urteils“
umgehen? Wir sprachen darüber mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.
personalmagazin:
Ist infolge des BAG-Ur-
teils generell davon abzuraten, Berufsan-
fänger zu einer Bewerbung aufzufordern?
Ralf-Dietrich Tiesler:
Wenn Arbeitgeber
Nachwuchsführungskräfte, Hochschul-
absolventen oder „Young Professionals“
suchen, kann das nach der Entscheidung
des Bundesarbeitsgerichts ein Indiz für
eine Altersdiskriminierung sein. Auch
Stellenausschreibungen für „Junior Pro-
ject Manager“ oder Bewerber mit „null
bis drei Jahren Berufserfahrung“ können
zu Schwierigkeiten führen. Wer also auf
Nummer sicher gehen will, sollte auf
Stellenanzeigen für Adressaten verzich-
ten, die üblicherweise zu bestimmten Al-
tersgruppen zählen.
personalmagazin:
Wenn eine Stellenanzeige
nur Indiz ist, ist eine Klage doch nicht
automatisch erfolgreich, oder?
Tiesler:
Nein, sie ist nur dann erfolgreich,
wenn der Arbeitgeber das Indiz aus der
Stellenanzeige nicht widerlegen kann.
Die Erfurter Richter haben die Sache
deshalb auch zur weiteren Sachaufklä-
rung und erneuten Verhandlung an das
Landesarbeitsgericht Berlin-Branden-
burg zurückverwiesen.
personalmagazin:
Was sollen Unternehmen
tun, wenn sie in Stellenanzeigen Be-
rufsanfänger zur Bewerbung animieren
wollen?
Tiesler:
Als Faustregel gilt: Die Stellen-
anzeige muss den Eindruck erwecken,
dass der Arbeitgeber für alle objektiv
geeigneten Bewerber offen ist. Beispiels-
weise können Unternehmen auch künf-
tig Traineeprogramme anbieten, um
Nachwuchsführungskräfte zu finden
und auszubilden. Allerdings müssen
sie die Stellenausschreibungen dafür so
formulieren, dass sie sich an Führungs-
kräfte jeden Alters richten. Darüber
hinaus müssen die Arbeitgeber intern
klar definieren: Nach welchen objekti-
ven Kriterien wählen wir Bewerber aus?
Und warum sind diese Anforderungen
entscheidende Voraussetzungen für die
jeweilige Tätigkeit?
personalmagazin:
Kann eine AGG-Klage mit
dem Argument abgewehrt werden, dass
der Bewerber ein AGG-Hopper ist?
Tiesler:
Grundsätzlich ja. Daher ist auch
zunächst zu prüfen, ob es sich wirklich
um eine ernstgemeinte Bewerbung han-
delt oder der Kläger nicht systematisch
Online-Stellenbörsen nach möglicher-
weise altersdiskriminierenden Begriffen
durchsucht hat.
personalmagazin:
Manch ein Unternehmen
möchte auf Begriffe wie „Young Profes-
sional“ oder „Junior“ auch nach dem
BAG-Urteil nicht verzichten. Welche Argu-
mente können hier einem AGG-Vorwurf
entgegengesetzt werden?
Tiesler:
Der Begriff „Young Professional“
muss nicht zwangsläufig auf das Alter
des gewünschten Stelleninhabers hin-
weisen. Er kann auch auf dessen Stellung
innerhalb der betrieblichen Hierarchie
der Beklagten deuten, so eine Entschei-
dung des LAG Berlin-Brandenburg vom
21. Juli 2011, Az. 5 Sa 847/11. Danach be-
deutet das Wort „Junior“ im Englischen
zwar auch „jung“. Im Zusammenhang
mit einer betrieblichen Stellung kann
Ralf-Dietrich Tiesler
ist Fachanwalt für
Arbeitsrecht und Partner bei Menold Bezler
Rechtsanwälte Partnerschaft in Stuttgart.
Das Interview führte
Thomas Muschiol.
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