Seite 68 - personalmagazin_2013_04

Basic HTML-Version

68
Recht
_schwellenwert­
personalmagazin 04 / 13
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
– entgegen der gefestigten Rechtspre-
chung der Zivilgerichte – entschieden,
dass Leiharbeitnehmer für den Schwel-
lenwert des Mitbestimmungsgesetzes
mitzuzählen sind. Diese zunehmende
Angleichung der Rechtspositionen von
Stamm- und Leiharbeitnehmern folgt
der Gesetzgebung: 2001 wurde eine Re-
gelung in das Betriebsverfassungsgesetz
Dr. André Zimmermann
ist Fachanwalt für Arbeits-
recht bei Allen & Overy LLP in
Frankfurt am Main.
aufgenommen, die Leiharbeitnehmern
das Wahlrecht bei der Betriebsratswahl
im Einsatzbetrieb gibt, wenn sie länger
als drei Monate eingesetzt werden (§ 7
Satz 2 BetrVG). 2004 wurde der Equal
Pay-Grundsatz in das Arbeitnehmer-
überlassungsgesetz aufgenommen, der
zu einer Angleichung der Arbeitsbe-
dingungen führen sollte. Der aktuelle
Rechts- und Diskussionsstand bei un-
terschiedlichen Schwellenwerten ist der
nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.
Norm
Inhalt
Schwellenwert
Berücksichtigung Leiharbeitnehmer
§ 1 BetrVG Errichtung von Betriebsräten „Betriebe mit in der Regel mindestens fünf ständigen
wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei
wählbar sind“
Wählen ja, wenn über drei Monate Einsatz im
Betrieb (§ 7 Satz 2 BetrVG);
Nicht wählbar (BAG 2010)
§ 9 BetrVG Zahl der Betriebsratsmit-
glieder
„Betriebe mit in der Regel (Anzahl) wahlberechtigten
Arbeitnehmern“
Nein (BAG 2003)
§ 38 BetrVG Freistellungen
„Betriebe mit in der Regel (Anzahl) Arbeitnehmern“ Nein (BAG 2003)
§ 99 BetrVG Mitbestimmung bei perso-
nellen Einzelmaßnahmen
„Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlbe-
rechtigten Arbeitnehmern“
Ungeklärt, wohl ja, wenn über drei Monate
Einsatz im Betrieb (§ 7 Satz 2 BetrVG)
§ 106 BetrVG Wirtschaftsausschuss
„Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig
beschäftigten Arbeitnehmern“
Ungeklärt, wohl ja, sofern Einsatz auf Dauerar-
beitsplatz, der ständig besetzt werden soll
§ 111 BetrVG Betriebsänderungen
„Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlbe-
rechtigten Arbeitnehmern“
Ja, wenn über drei Monate Einsatz im Betrieb
(BAG 2011)
§ 17 KSchG Anzeigepflicht bei Massen-
entlassungen
„Betriebe mit in der Regel mehr als (Anzahl) und we-
niger als (Anzahl) Arbeitnehmern mehr als (Anzahl)
Arbeitnehmer entlässt“
Ungeklärt, wohl keine Berücksichtigung, da sie
dem Verleiherbetrieb zuzuordnen sind
§ 23 KSchG Geltungsbereich Kündi-
gungsschutzgesetz
Altregelung: in der Regel 5,25 Arbeitnehmer
Neuregelung: in der Regel 10,25 Arbeitnehmer
Ja, wenn Einsatz auf einem „in der Regel“ vor-
handenen Personalbedarf beruht (BAG 2013)
§ 8 Abs. 7
TzBfG
Anspruch auf Verringerung
der Arbeitszeit
Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15
Arbeitnehmer
Ungeklärt, wohl ja wie bei § 23 KSchG, wenn
Einsatz auf einem „in der Regel” vorhandenen
Personalbedarf beruht (BAG 2013)
§ 1 DrittelbG Erfasste Unternehmen
In der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern
Überwiegend nein, da nicht Betriebsangehörige
des Entleiherbetriebs (OLG Hamburg 2007; OLG
Düsseldorf 2004; anders: ArbG Offenbach 2012)
§ 1 MitbestG Erfasste Unternehmen
In der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer
Überwiegend nein, da nicht Betriebsangehörige
des Entleiherbetriebs (OLG Düsseldorf 2004)
§ 71 SGB IX Pflichtquote Beschäftigung
schwerbehinderter Arbeit-
nehmer
„Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich
mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73
haben auf wenigstens fünf Prozent der Arbeitsplätze
schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen“
Nein, da bei Leiharbeit der Verleiher der Arbeit-
geber ist und ihn die Beschäftigungspflicht trifft
(BVerwG 2001)
§ 3 PflegeZG Pflegezeit
Kein Anspruch auf Pflegezeit gegen Arbeitgeber mit
in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten
Ungeklärt, wohl ja wie bei § 23 KSchG, wenn
der Einsatz auf einem „in der Regel” vorhande-
nen Personalbedarf beruht (BAG 2013)
Wann Leiharbeitnehmer mitzählen
Die Übersicht gibt in der rechten Spalte eine Einschätzung zum
aktuellen Stand der Rechtsprechung im Hinblick auf die wichtigsten
Schwellenwerte. Gesetzlich ist die Frage, wann Leiharbeitnehmer
mitzählen, nur für den Fall der Wahlberechtigung geregelt.