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PERSONALAUSWAHL
Schauspiel Bewerbung
ÜBERBLICK. Kandidaten wollen sich im Auswahlprozess optimal darstellen.
Doch effektive Auswahlinstrumente ermöglichen es, hinter die Maske zu blicken.
W
arum haben Sie sich bei
uns beworben? Auf diese
Frage wollen Personaler
nicht hören, dass der Be-
werber zu keinem anderen Bewerbungs-
gespräch eingeladen wurde. Und ein
Bewerber würde so kaum antworten.
Aber gerade dieses Frage-Antwort-Spiel
ist symptomatisch für den gesamten Aus-
wahlprozess. Bewerber wollen sich opti-
mal präsentieren. Wer dieses Schauspiel
hinterfragen und das wahre Gesicht des
Bewerbers erkennen will, braucht effek-
tive Instrumente.
Dabei ist die Gesichtserkennung nicht
zu wörtlich zu nehmen. Große Ohren
und schmale Lippen stehen nur in der
Physiognomik, der Kunst des Gesichter-
lesens, für bestimmte Charakterzüge.
„Besser kann man seine Inkompetenz
als Personaler nicht darstellen“, urteilte
Professor Uwe P. Kanning von der Hoch-
schule Osnabrück in einem Interview
mit der Haufe Online-Redaktion über
diese Methode als Auswahlinstrument.
Das „wahre Gesicht“ des Kandidaten
bleibt hier trotz der physiologischen
Methode verborgen. Genauso können
Graphologen, die anhand der Schrift
den Charakter eines Menschen zu er-
kennen glauben, den Berufserfolg nicht
vorhersagen. Schon 1998 haben Frank
Schmidt und John Hunter die geringe
Aussagekraft der Graphologie in einer
Metaanalyse belegt.
Experten sind sich einig, dass die Er-
gebnisse immer noch gültig sind. Instru-
mente, die laut Schmidt und Hunter sehr
valide sind, also den Berufserfolg gut
vorhersagen, sind Arbeitsprobe, struk-
turiertes Interview und Intelligenztest.
Doch das beste Instrument nützt nichts,
wenn es falsch eingesetzt wird. Welche
Fehler Sie vermeiden sollten, erfahren
Sie ab Seite 18.
Instrumente prüfen und kombinieren
Das Arbeitszeugnis ist als Teil der Be-
werbungsunterlagen eines der ersten
Instrumente, die Personaler im Aus-
wahlprozess nutzen. Doch seine Aus-
sagekraft ist begrenzt. Denn prinzipiell
müssen Zeugnisse wohlwollend formu-
liert, aber auch wahr sein, so will es der
Gesetzgeber. Schnell droht eine Klage
vor Gericht, wenn darin Kritik anklingt.
Bewerbungstrainer Jürgen Hesse erklär-
te darum im Hamburger Abendblatt:
„Das Arbeitszeugnis ist entwertet.“
Natürlich provoziert diese These. Zeug-
nisse bleiben ein wichtiger Baustein in
den Bewerbungsunterlagen, mit denen
sich Personaler einen ersten Eindruck
verschaffen können, das zeigen auch die
Aussagen der von uns befragten Perso-
naler (siehe Seite 16). Doch die Befragten
weisen auch auf eine Bedingung hin, die
für den gesamten Auswahlprozess und
gerade für Arbeitszeugnisse gilt: Man
muss verschiedene Auswahlinstrumente
miteinander kombinieren, damit die Va-
lidität des gesamten Prozesses steigt.
Abgeschafft wird das Arbeitszeugnis
also nicht. Arbeitgeber sollten natürlich
weiterhin Zeugnisse mit der nötigen
Sorgfalt verfassen (siehe Seite 22).
Ein Instrument, das Zeugnisse ergän-
zen könnte, ist die Referenz. Im eng-
lischsprachigen Raum gehört sie zum
Standard. Sie einzusetzen, hätte den
Nebeneffekt, dass ausländische Bewer-
ber, bei denen Referenzen üblicher sind
als Zeugnisse, nicht so schnell im Aus-
wahlprozess ausssortiert werden. Doch
auch hier sind einige Bedingungen zu
beachten, um nicht in den Rosenkrieg
zwischen Kandidat und ehemaligem Ar-
beitgeber zu geraten (siehe Seite 26).
Wer seine Auswahlinstrumente über-
prüft und verschiedene miteinander
kombiniert hat, stößt allerdings immer
noch auf ein Hindernis: Die Ratgeberli-
teratur und das Web 2.0 bereiten Bewer-
ber inzwischen hervorragend auf alle
Auswahlsituationen vor. Die perfekte
Maske kann hier das individuelle Pro-
fil der Bewerber verbergen. Um dann
noch zu einer guten Entscheidung zu
kommen, müssen Personaler ihre Ins-
trumente immer wieder überarbeiten
und teilweise neu gestalten, empfiehlt
Professor Cornelius König im Interview
(Seite 28).
Von
Kristina Enderle da Silva
(Red.)
Online
In der aktuellen Ausgabe des
Haufe-Wissenschaftsjournals „Per-
sonal Quarterly“ finden Sie eine
Übersicht mit den Validitätswerten
für einzelne Auswahlinstrumente
sowie eine Formel für die Berech-
nung des Aufwand-Nutzen-Verhält-
nisses in der Personalauswahl.