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personalmagazin 03 / 12
BURNOUT
Brennen statt ausbrennen
TREND. Unternehmen müssen beim Thema Burnout rechtssichere Strukturen
schaffen, damit Mitarbeiter weiterhin Feuer und Flamme sind für den Betrieb.
M
odeerscheinung oder ernst-
hafte Krankheit, darüber
debattieren vor allem Me-
diziner. Und weil es keine
klare Definition gibt, ranken sich ei-
nige Mythen um das Thema Burnout.
Höchste Zeit, die Emotionen rauszuneh-
men, das Thema nüchtern anzupacken
und pragmatisch auch rechtliche Fragen
zu lösen.
Weg also von dem Glauben, dass
nur leistungsstarke Führungskräfte an
Burnout erkranken, während andere
eher an der – negativ besetzten – De-
pression leiden. Abschließen mit dem
Gedanken, dass einzig beruflicher Dau-
erstress durch ständige Überforderung
und nicht auch persönliche Gründe die
Mitarbeiter ausbrennen lassen. Nicht
nur den Stimmen Glauben schenken, die
mehr Selbstkritik fordern, denn wer sich
überfordert fühle, brauche schließlich
nur seinen Job zu überdenken und ihn
gegebenenfalls seiner Persönlichkeits-
struktur anzupassen.
Natürlich ist die Realität so klischee-
haft nicht. Das zeigt auch unser Inter-
view mit einem Betroffenen auf Seite
18, der von seiner Krankheitsgeschichte
erzählt und strukturelle Stressfaktoren
aufzeigt. Medizinisch ist Burnout aber
keine anerkannte Erkrankung. Daher
spricht Professor Ulrich Hegerl von der
Uni Leipzig bei Burnout von einer Aus-
weichdiagnose. „Burnout meint meist
nichts anderes als Depression“, sagt der
Psychiater gegenüber Spiegel-Online.
Der Begriff könne alltägliche Erschöp-
fung genauso erfassen wie schwere,
lebensbedrohliche Depressionen. „Letzt-
lich verharmlost der Begriff Burnout da-
mit eine Depression“, kritisiert Hegerl.
Andere Experten sehen wiederum meh-
rere Stufen bei Erschöpfungszuständen.
Ob Risikokonstellation oder echte
Krankheit – es bleibt die Frage, wie es
Organisationen schaffen, dass Mitarbei-
ter dauerhaft für das Unternehmen bren-
nen, ohne dabei auszubrennen. Zwingen
prominente Beispiele und Medien, die
bereits eine neue Volkskrankheit ver-
künden, zum sofortigen Handeln? Oder
ist alles nur ein Förderprogramm für die
„Burnout-Industrie“, die mit entspre-
chenden Seminaren und Hilfestellungen
sehr gut verdient?
Zahlen zwingen zum Handeln
Laut BKK-Gesundheitsreport ist die Zahl
der Krankheitstage mit der Zusatzdiag-
nose Burnout-Syndrom seit 2004 drama-
tisch angestiegen. Fasst man aufgrund
der diffusen Umschreibung von Burnout
die Thematik etwas weiter, nehmen psy-
chische Erkrankungen inzwischen unter
den Diagnosehauptgruppen den vierten,
bei den Frauen sogar den dritten Rang
ein. Seelische Erkrankungen sind zudem
der häufigste Grund, weshalb Arbeitneh-
mer vorzeitig in Ruhestand gehen. Diese
Zahl hat auch die Politik alarmiert, wes-
halb Arbeitsministerin Ursula von der
Leyen laut Medienberichten demnächst
Maßnahmen gegen psychische Überla-
stung im Beruf entwickeln will.
Für Personaler gilt es, sich von der
Hysterie nicht anstecken zu lassen und
dennoch zu gestalten. Daher stellen wir
konkrete Maßnahmen für ein ganzheit-
liches betriebliches Gesundheitssystem
mit dem Schwerpunkt psychische Ge-
sundheit anhand von Praxisbeispielen
vor. Aber auch rechtliche Fragen vor,
während und nach der Erkrankung
eines Mitarbeiters gilt es anzugehen. Die
Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zwingt
dazu, den Arbeitsschutz im Bereich
psychische Gesundheit voranzutreiben.
Allein schon deshalb, um etwa bei Ge-
fährdungsbeurteilungen auf Augenhöhe
mit Betriebsräten zu diskutieren, die sich
verstärkt des Themas annehmen (mehr
dazu lesen Sie ab Seite 20). Was bei kör-
perlichen Belastungen bereits recht ist,
kann daher künftig bei psychischen Be-
lastungen nur billig sein.
Nüchtern handeln ist angebracht,
weil nicht nur einzelnen Mitarbeitern,
sondern der Organisation selbst der
Burnout droht. Auch die Flamme des Un-
ternehmens erlischt, wenn Beschäftigte
dauerhaft überlastet sind.
Von
Michael Miller
(Red.)
Es ist höchste Zeit dafür, die Emotionen
herauszunehmen und das Thema Burnout
nüchtern sowie pragmatisch anzupacken.