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personalmagazin 06 / 12
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PERSONALDIAGNOSTIK
wie wichtig jemandem Sicherheit im Le-
ben ist, verblüfft Staller. Wer eine hohe
Ausprägung hat, werde lieber Beamter.
Mit den Fragen kann man vielleicht
messen, ob jemand dazu neigt, ein Hy-
pochonder zu sein. Aber was hat das mit
Sicherheit zu tun? Gut, dass mich der
Reiss-Profile-Master mehrfach darauf
hinweist: „Das ist ein guter standardi-
sierter Test, der sehr valide ist.“
Motiv „Schönheit“ als die
konservativere Variante von Eros
Noch verwirrender wird es beim Motiv
„Schönheit“. Das heißt in der Original-
version eigentlich Eros und umfasst acht
Fragen zur Sexualität. Da gehe es dann
darum, ob jemand jeden Tag Sex braucht
(hohe Ausprägung) oder auch mal vier
bis sechs Wochen ohne Sex leben könne
(niedrige Ausprägung). In der Business-
Variante, die bei Unternehmen überwie-
gend eingesetzt wird, nimmt man dafür
das Motiv „Schönheit“. Aber Schönheit
gebe es gar nicht als Lebensmotiv. Das
sei nur ein Lückenfüller, damit man wie-
der auf 16 Motive komme, und zudem
ermögliche es, imAuswertungsgespräch
das Thema Eros „zumindest theoretisch“
anzusprechen. „Ich arbeite viel mit dem
Originaltest und empfehle ihn auch den
Führungskräften“, sagt Staller. „Dann
kann die Führungskraft über ihr Eros-
Motiv reflektieren.“
Warum das wichtig ist? Eine hohe Aus-
prägung erkläre zum Beispiel, wenn ein
Chef ständig anzügliche Bemerkungen
mache. In Teams werde die Sexversion
nur selten eingesetzt, doch, so Staller, „die
meisten finden es schade, dass sie nicht
die Originalversion machen dürfen“.
Ehrliche Aussage: Eindeutig nicht
kompatibel mit DIN 33430
WenigstensistderReiss-Profile-Verkäufer
ehrlich, wenn er sofort zugibt, dass der
Test nicht kompatibel mit der DIN 33430
ist, die die „Anforderungen an Verfahren
und deren Einsatz bei berufsbezogener
Eignungsbeurteilung“ beschreibt. Denn
gefragt werden dürfen stets nur Aspekte,
die wirklich mit dem Job oder der beruf-
lichen Tätigkeit zu tun haben. Unterneh-
men, die nach der DIN 33430 handeln,
dürfen das Reiss-Profil daher nicht ein-
setzen. „Das stört uns nicht“, sagt Staller.
Und Probleme gebe es auch nicht. Selbst
dann nicht, wenn Teammitglieder ihr
Profil gegenüber ihren Kollegen offenle-
gen müssen. Weigert sich einer, könne
man im Workshop nur allgemein über
die Motive sprechen und nicht mehr über
einzelne Maßnahmen. „Das bringt dann
höchstens noch 25 Prozent“, weiß Staller.
Bei ihm sei das aber noch nie passiert.
Natürlich sei der Testeinsatz mitbe-
stimmungspflichtig. Aber auch das sei
kein Problem. Dann beziehe man eben
den Betriebsrat mit ein und der mache
selbst den Test. Doch dient das Reiss-
Profil nicht letztlich vor allem dazu, die
Mitarbeiter möglichst geschickt zu ma-
nipulieren? Das Wort „manipulieren“
würde er in diesem Zusammenhang
niemals in den Mund nehmen, beteuert
Staller. Es gehe vielmehr um die „opti-
male Leistungsentfaltung“. Wir beide
zum Beispiel hätten relativ viele Ge-
meinsamkeiten. Daher kämen wir ver-
mutlich gut miteinander aus. „Aber wenn
wir inhaltlich unterschiedlicher Meinung
sind, würden wir heftigst aneinanderge-
raten“, so Staller. „Das könnte richtig spa-
ßig werden.“
Bärbel Schwertfeger
ist Diplom-Psychologin und
freie Journalistin in München.
HINTERGRUND
„Das Reiss-Profil ist ein Diagnoseinstrument für menschliche Motivation und erfasst als
solches die Dimensionen der individuellen Persönlichkeit“, heißt es in einer Pressemel-
dung. Basis sei ein psychologisches Testverfahren, das von Professor Steven Reiss in den
1990er-Jahren entwickelt wurde. In der Reihe von Persönlichkeitsinstrumenten am Markt
sei das Reiss-Profil das einzige, das nach dem „Warum“, also den Ursachen, des mensch-
lichen Handelns frage – und somit die wesentlichen und unveränderlichen Aspekte der
Persönlichkeit ergründe. Eingesetzt werde das Instrument in den unterschiedlichsten
professionellen Bereichen – von Personalauswahl, Potenzialanalyse, Coaching, Teament-
wicklung und Führungstraining bis zur Motivationsberatung und dem Marketing. Auch in
der Schulberatung, der Paarberatung, dem Personaltraining oder einem sensiblen Thema
wie der Sterbebegleitung komme die Methode mit nachhaltigem Erfolg zum Einsatz.
Seit 2007 gibt es die Reiss Profile Germany GmbH, die als offizieller Lizenznehmer von
Steven Reiss fungiert. Geschäftsführender Gesellschafter ist der Diplom-Mathematiker
Thomas Staller, der vor seiner Tätigkeit bei der Reiss Profile Germany GmbH als
Geschäftsführer und Vorstand in den Branchen Informationstechnologie, Telekommunika-
tion, Medien und Unternehmensberatung aktiv war. Er ist zudem Inhaber der Kirschstall
Führungs- und Kommunikationsberatung in Berlin und bildet zusammen mit den beiden
anderen Partnern der Reiss Profile Germany GmbH – Peter Boltersdorf und John J. M.
Delnoy – Psychologen, Berater, Coaches und Trainer zum zertifizierten Reiss-Profile-
Master oder Instructor aus.
Derzeit sind über 700 Reiss-Profile-Master in Deutschland aktiv. Auf der Referenzliste
stehen laut Website Unternehmen wie die Rewe Gruppe, KraftFoods, RWE, ENBW, die
Telekom, die Stuttgarter Zeitung und die Versicherungskammer Bayern. Im Sport setzen
der Deutsche Skiverband und der Deutsche Handballbund sowie die Fußballteams von
Alemania Aachen, Borussia Mönchengladbach und Schalke 04 auf die Reiss-Profile.
Das Reiss-Profil