personalmagazin 11 / 12
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Titel
_menschen mit behinderung
läufig blockieren kann, wenn Sie die vor-
geschriebene Information über die freie
Stelle nicht an die Agentur für Arbeit
übermittelt haben?
Zusatzurlaub (§ 125 SGB IX)
Schwerbehinderte Menschen haben
Anspruch auf einen bezahlten zusätz-
lichen Urlaub von fünf Arbeitstagen im
Urlaubsjahr.
Wussten Sie,
dass diese Urlaubsvor-
schrift in einem Teil des SGB IX steht,
der grundsätzlich auch für Mitarbei-
ter gilt, die einem Schwerbehinderten
gleichgestellt sind?
Allerdings ergibt sich wiederum aus §
68 Abs. 3 SGB IX, dass der Zusatzur-
laub ausnahmsweise nicht von der
Gleichstellung erfasst ist.
Kündigung von Schwerbehinderten
und Gleichgestellten (§§ 85 ff. SGB IX)
Nicht selten wird die Behauptung auf-
gestellt, dass Schwerbehinderte und
Gleichgestellte „unkündbar“ seien. Dies
ist jedoch nicht der Fall, wie ein Blick
in § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzge-
setzes zeigt. Dort wird beschrieben, dass
bei betriebsbedingten Kündigungen die
Schwerbehinderteneigenschaft „nur“
ein Abwägungskriterium ist und damit
kein Kündigungsverbot begründet.
Gleichwohl ist bei der Kündigung von
Schwerbehinderten unbedingt zu be-
achten, dass die vorherige Zustimmung
des Integrationsamts eingeholt werden
muss. Dieses prüft jedoch nicht die in-
haltliche Berechtigung der Kündigung,
sondern geht nur der Frage nach, ob die
Kündigung möglicherweise „wegen der
Behinderung“ ausgesprochen wurde.
Die Pflicht zur Einschaltung des Integra-
tionsamts gilt auch bei Änderungskün-
digungen. Hier ist jedoch zu beachten,
dass nach § 89 Abs. 2 SGB IX das In-
tegrationsamt die Zustimmung erteilen
„soll“, wenn dem Betroffenen ein ande-
rer angemessener und zumutbarer Ar-
beitsplatz gesichert ist.
Wussten Sie,
dass nach Zustimmung
des Integrationsamts der betroffene Ar-
beitnehmer zwar die Möglichkeit hat, die
Zustimmung durch Widerspruchs- und
Anfechtungsklage beim Sozialgericht
anzugreifen, diese Rechtsmittel aber
keine aufschiebende Wirkung haben,
sodass die Kündigung auf diesem Weg
nicht beliebig blockiert werden kann?
Arbeitsplatz behindertengerecht
gestalten (§ 81 Abs. 4 Nr. 4+5 SGB IX)
Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer
hat einen Anspruch auf Einrichtung
eines behindertengerechten Arbeits-
platzes. Diese Pflicht kann unter Um-
ständen sehr weit gehen. Das Argument,
dass die finanziellen Aufwendungen „au-
ßer Verhältnis“ stehen, ist nur unter sehr
strengen Voraussetzungen eine Möglich-
keit, die behindertengerechte „Aufrüs
tung“ eines Arbeitsplatzes abzulehnen.
Dies wird von der Rechtsprechung unter
anderem damit begründet, dass durch
die Integrationsämter nicht nur ein An-
spruch auf umfassende Beratung be-
züglich möglicher Umbauten besteht,
sondern auch Zuschussmöglichkeiten in
Anspruch genommen werden können.
Beispiel: Das Bundesarbeitsgericht
(Urteil vom 4.10.2005 – 9 AZR 632/04)
hatte darüber zu entscheiden, ob ein
schwerbehinderter Arbeitnehmer, der
auf einem Recyclinghof schwere Lasten
in Form von Sperrmüll in einen Contai-
ner stemmen musste, gekündigt werden
„Sind Sie schwerbehindert oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt?“ Zur Be-
rechtigung dieser Frage hat sich mittlerweile folgende Auffassung herauskristallisiert.
Zunächst gilt: Seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
(AGG) sind nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Fragen
nach einer Schwerbehinderung weder im schriftlichen Bewerbungsverfahren noch im
Vorstellungsgespräch oder in einem „Einstellungsbogen“, der vor der Vertragsunter
schrift vorgelegt wird, erlaubt. Auch der Entwurf des Beschäftigtendatenschutzgesetzes
legt ein derartiges Frageverbot im Bewerbungsverfahren fest.
Nicht abschließend geklärt ist, inwieweit nach erfolgter Einstellung die Frage nach
einer bestehenden oder erworbenen Schwerbehinderung dem Arbeitgeber möglich
sein muss. Praktiker fordern hier wegen der gesetzlichen Verpflichtung zur Quotener
füllung vehement ein solches Fragerecht. Habe der Arbeitgeber keinen Überblick über
die Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter im Betrieb, habe er möglicherweise
ohne es zu wissen die Schwerbehindertenquote schon erfüllt oder sogar übererfüllt
und würde durch seine Unkenntnis gleichwohl Ausgleichsabgaben wegen einer nicht
erfüllten Quote zahlen.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer neueren Entscheidung (AZ 6 AZR 553/10) ein
Fragerecht nach erfolgter Einstellung bejaht. Dies jedenfalls dann, wenn es um die
Sozialauswahl im Zusammenhang mit Entlassungen gehen würde, da der Arbeitgeber
in diesem Rahmen verpflichtet sei, das Merkmal „Schwerbehinderung“ in die Sozi
alauswahl einzubeziehen. Fraglich ist, ob aus diesem Urteil auch ein Fragerecht im
Hinblick auf die Feststellung der Erfüllung einer Schwerbehindertenquote abzuleiten
ist. Wir haben dazu den Bonner Arbeitsrechtler Professor Thüsing befragt. Das BAG, so
erläutert Thüsing, habe mit seinem Urteil ein Fragerecht nach der Einstellung generell
für die Fälle begründet, in denen der Arbeitgeber die Antwort „für die Wahrnehmung
seiner Rechte oder Erfüllung seiner Pflichten“ aus einer Schwerbehinderteneigenschaft
kennen muss. Eine solche Pflicht sei auch die Ausgleichsabgabe, sodass er aus diesem
Grunde anlassbezogen nach einer Schwerbehinderteneigenschaft im bestehenden
Arbeitsverhältnis fragen darf.
(tm)
Die Frage nach der Schwerbehinderung
Praxisbeispiel
Hinweis
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an