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AZUBI-RECRUITING
ORGANISATION
Kundenorientierung ist auch eine Fra-
ge der Schnelligkeit und Qualität von
Bewerbungsprozessen. Elektronische
Bewerbermanagementsysteme können
helfen, Antwortzeiten zu verkürzen. On-
linebewerbungen sind zudem eigentlich
sehr azubigerecht, weil sie den Medien-
gewohnheiten der Zielgruppe entspre-
chen.
Bei der Einführung elektronischer Be-
werbungsverfahren sollten Ausbildungs-
betriebe jedoch nicht die Fehler, die bei
anderen Bewerberzielgruppen gemacht
wurden, wiederholen und durch allzu
starre Formularbewerbungen oder die
Übertragung unpassender Fragerouti-
nen künftige Auszubildende verschre-
cken. Aus Umfragen ist bekannt, dass
Azubis mit starren Onlinebewerbungs-
systemen nicht gut klarkommen. Sie
brauchen auch in der strukturierten On-
linebewerbung genügend Raum für die
persönliche Darstellung.
Auswahlverfahren mit Mehrwert
Zwar sagen in der Studie viele Ausbil-
dungsverantwortliche, der Gesamtein-
druck der Bewerbungsmappe sei ein
wichtiges Auswahlkriterium. Tatsache
ist aber, dass die Aussagekraft einer
klassischen Papierbewerbung nicht grö-
ßer ist als die von Onlinevarianten – eher
im Gegenteil. Schlussfolgerungen aus
Äußerlichkeiten, etwa von einer blauen
Mappe auf mehr Zuverlässigkeit und
einer roten Mappe auf höhere Aggressi-
vität zu schließen, begünstigen Fehlur-
teile. Zudem tragen klassische Mappen
indirekt zu einem Selektionsmechanis-
mus bei, bei dem der soziale Status eine
deutliche Rolle spielt. Bei Kindern aus
bildungsnahen Familien greifen die El-
tern korrigierend ein und investieren
Geld in schöne Mappen und Fotos. Bei
Onlinebewerbungen bewegen sich an-
gehende Azubis in ihrem Medium und
sind eher auf sich gestellt. Onlinebewer-
bungen sind daher authentischer.
Neben prozessualen Argumenten wä-
re es daher besser, der Online-Variante
den Vorzug zu geben und von den Be-
werbern kurze Motivationsschreiben
und weitere Angaben einzufordern,
zum Beispiel zum sozialen Engagement.
Mehr Verlässlichkeit in die Auswahl
bringen zusätzliche Tests, mit denen Be-
triebe und Bewerber feststellen können,
ob der anvisierte Ausbildungsberuf
wirklich den persönlichen Interessen
und Neigungen entspricht. Kunden-
orientiert an diesen Verfahren ist der
Mehrwert für angehende Azubis, den
eine nachvollziehbare und qualifizierte
Rückmeldung zur Eignung für ein be-
stimmtes Berufsbild bietet.
Wie Sie Azubis umwerben
Umwerben statt fordern – so heißt die
Marschrichtung für ein zukunftsfestes
Azubimarketing. Das bedeutet konkret:
Begeistern Sie individuell und berichten
Sie in verständlicher Sprache über die
Vorzüge Ihres Ausbildungsangebots.
Folgen Sie bei der Auswahl der Kanäle
stärker den Mediengewohnheiten der
Zielgruppe. Immer unverzichtbarer wird
hierbei das Internet, speziell die Karrie-
rewebseiten mit einem eigenen Bereich
für Azubis. Erwägen Sie auch, Social
Media für das Azubi-Marketing einzu-
setzen. Das ist jedoch nicht ganz trivial.
Reichweite muss dort zunächst mühsam
aufgebaut werden. Zudem sind der Ak-
tualitätsdruck und damit auch der dau-
erhafte Aufwand hoch, was für kleinere
Betriebe kaum zu stemmen ist.
Eine weitere Möglichkeit, die Sie für
das Azubimarketing nutzen können,
bieten Programme, welche das Prinzip
„Mitarbeiter werben Mitarbeiter“ auf So-
cial Media übertragen. Mitarbeiter und
Auszubildende empfehlen den Arbeit-
geber in ihrem jeweiligen persönlichen
Netzwerk weiter. Das bringt Reichweite
bei Primär- und Sekundärzielgruppen.
Letztere bleiben ein entscheidender
Faktor für den Erfolg von Personalmar-
ketingmaßnahmen unter angehenden
Azubis. Immer noch nehmen Eltern, Ge-
schwister, Lehrer und andere Personen
Einfluss auf die Wahl des ersten Arbeit-
gebers. Deshalb gilt: Richten Sie Ihre
Kommunikation auf das gesamte Umfeld
in der Region, in denen Ausbildungsent-
scheidungen getroffen werden.
Da das passive Schreibtisch-Recruiting
bei den Azubis heute nicht mehr aus-
reicht, sollten Sie insbesondere Talente
direkt ansprechen: Bieten Sie Schüler-
praktika an und initiieren Sie Schulpart-
nerschaften. Planen Sie Tage der offenen
Tür und Präsenzen auf Azubimessen
strategisch ein und nutzen Sie diese Ge-
legenheiten intensiv.
Binden Sie bestehende Azubis ein
Wenn Sie Ihre Konkurrenzfähigkeit auf
dem enger werdenden Azubimarkt ver-
bessern wollen, sollten Sie aber nicht
nur an den Bewerbungsprozessen und
an der Kommunikation feilen, sondern
auch an die Substanz gehen. Analysie-
ren Sie deshalb Stärken und Schwächen
in Ihrer Ausbildung sorgfältig, optimie-
ren Sie Ihr Ausbildungsangebot und bin-
den Sie in diesen Prozess vor allem auch
die Azubis ein.
Professorin für Personalmanagement an
der Hochschule Heilbronn
Prof. Dr. Daniela Eisele
Geschäftsführerin der U-Form-Verlag
Herm. Ullrich GmbH & Co. KG, Solingen
Felicia Ullrich
Umwerben statt fordern – so heißt die Marsch-
richtung für ein zukunftsfestes Azubimarketing.
Firmen müssen die jungen Leute begeistern.