Seite 36 - personalmagazin_2012_08

Basic HTML-Version

personalmagazin 08 / 12
36
Management
_Talent-Relationship-Management
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin:
Sie forschen inzwischen
auch zum Thema „Talent-Relationship-
Management“. Gibt es wissenschaftlich
belegte Erfolgskennzahlen?
Quenzler:
Dieser Forschungsbereich ist
noch sehr jung. Deswegen stoße ich
sehr viele Projekte gerade erst an. Was
sich schon belegen lässt, ist eine hohe
„Conversion Rate“ in den Studentenbin-
dungsprogrammen. Im Schnitt werden
60 Prozent der Kandidaten aus diesen
Pools übernommen. Es lassen sich auch
Aussagen darüber treffen, welches eine
gute Verweildauer im Talentpool ist: Es
sollten zwischen ein und zwei Jahren
sein.
„Exklusiv, aber keine Elite“
INTERVIEW.
Professor Alfred Quenzler hat den ersten Talent-Relationship-Manager bei
Audi eingestellt. Er erklärt, wie dies zum Erfolg führt und wo Fehlerquellen liegen.
personalmagazin:
Professor Quenzler, Sie
haben das Projekt „Talent-Relationship-
Manager“ bei Audi beauftragt. Was war
der Grund für die Einführung?
Alfred Quenzler:
Angefangen hat alles bei
der Internationalen Automobilausstel-
lung im Jahr 2007. Damals waren die
ökologischen Fahrzeuge auf der Messe
angekommen. Audi suchte Spezialisten
im Bereich der Batterietechnologie. Wir
mussten einen Weg finden, um diese
Fachkräfte kurzfristig zu rekrutieren.
Dafür nutzten wir den Ansatz des Talent-
Relationship-Managements.
personalmagazin:
Inwiefern kann man da-
mit wirklich kurzfristige Erfolge erzielen?
Quenzler:
Das kommt ganz darauf an, wie
man das Talent-Relationship-Manage-
ment einsetzt. Natürlich ist es auch da-
rauf ausgelegt, über ein bis zwei Jahre
Kontakt zu Talenten zu halten, um sie
dann später einmal zu rekrutieren. Aber
der Ansatz baut auf das „Active Sour-
cing“, also die aktive Ansprache der Ta-
lente. Und darüber sind durchaus auch
kurzfristige Einstellungen möglich.
personalmagazin:
Diese aktive Ansprache
der Kandidaten nimmt in den sozialen
Online-Netzwerken immer mehr zu. Lässt
damit nicht die Wirkung nach?
Quenzler:
Gerade wenn große Konzerne
die Fachkräfte ansprechen, sind diese
eigentlich immer positiv überrascht
und fühlen sich geschmeichelt. Von da-
her wirkt dieser Ansatz immer noch. Es
kann natürlich auch passieren, dass sich
einige aus den Netzwerken abmelden,
wenn man sie zu offensiv angeht. Aber
die Ansprache über Social Media ist ja
nicht das einzige Instrument im Talent-
Relationship-Management. Hier gibt es
noch eine kreative Spielwiese.
personalmagazin:
Welche einfachen Wege
empfehlen Sie Mittelständlern, die in
ihren Ressourcen begrenzt sind?
Quenzler:
Man kann zum Beispiel den
Partner eines Kandidaten mit ins Un-
ternehmen einladen. Ein weiterer sehr
unaufwendiger Weg ist die genaue
Durchsicht aller Bewerbungsunterlagen:
Man erzielt große Effekte, wennman den
Bewerbern, die man für eine bestimmte
Position ablehnen musste, gleichzeitig
mitteilt, dass man gerne aufgrund ihrer
hohen Qualifikationen weiter zu ihnen
Kontakt halten möchte.
personalmagazin:
Läuft man so nicht Ge-
fahr, einen riesigen Talentpool zu schaf-
fen, der nicht mehr überschaubar ist?
Quenzler:
Es wäre natürlich ein fataler
Fehler, den Talentpool aufzubauen, oh-
ne ihn richtig zu betreuen. Talent-Rela-
tionship-Management darf aber nicht
für die Masse betrieben werden.
Die
Auswahl muss exklusiv sein, damit sie
noch überschaubar ist und zum Beispiel
auch einmal jemand einfach zu einem
Gespräch mit dem Vorstand eingeladen
werden kann. Das sollte man aber nicht
als Elitenbildung missverstehen. Gerade
für mittelständische Unternehmen ist es
viel wichtiger, den Kandidaten das oft fa-
miliäre Umfeld im Betrieb zu vermitteln.
Man will sie schließlich in dieses Umfeld
einbinden, nicht als Elite gesondert be-
handeln.
Prof. Dr. Alfred Quenzler
Internationales Personal- und Organisations­
management, Hochschule Ingolstadt
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva
.