Seite 10 - personalmagazin_2012_08

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personalmagazin 08 / 12
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Szene
_HR-Image
Eine Lehrstunde für HR
Film.
Der Dokumentarfilm „Work hard – play hard“ von Carmen Losmann hält
­Personalern einen Spiegel vor – ein Realitätscheck, der zum Umdenken anregt.
Ein Widerspruch? Mitnichten. Dies
leisten künftig moderne Bürogebäude,
erfährt das Publikum gleich zu Beginn
des 90-minütigen Dokumentarfilms. Die
neue Firmenzentrale von Unilever in
der Hafencity von Hamburg ist das be-
ste Beispiel dafür. Die Regisseurin Car-
men Losmann gewährt einen Einblick
in die Planungsphase des ­Gebäudes.
Der Zuschauer ist hautnah dabei, als die
Architekten das Briefing besprechen.
Darin heißt es explizit: Das neue Ge-
bäude soll die Beschäftigten „auf keinen
Fall daran erinnern, dass sie arbeiten“.
Lichtdurchflutete, vitalisierende Erleb-
niswelten sollen unter anderem für die
Freude am Arbeiten sorgen – soweit die
Theorie.
Wie das in der Realität aussieht, davon
kann sich das Publikum in den folgenden
Einstellungen selbst überzeugen. Über-
große Flachbildschirme mit flimmernder
Unternehmensreklame begrüßen einen
ebenso wie bunte Sitzgruppen im Ikea-
Stil und Lampen in bizarr anmutenden
Formen. Auch die Farbe ist ein entschei-
dendes Detail, lernt der aufmerksame
Zuschauer. Während Orange Gemütlich-
keit signalisiere, sollte man von Braun
lieber die Finger lassen. Zu sehr würde
dies die Mitarbeiter ans eigene Wohn-
zimmer erinnern, gibt ein Berater von
Accenture im Film zu bedenken.
Mit subtilen Mitteln soll der Mitarbei­
ter ausgebeutet werden, könnte die ver-
steckte Botschaft lauten. Denn nur so
könnten Unternehmen ihrem immer
währendenWachstumsanspruch gerecht
werden. Doch someint es die Regisseurin
nicht. Dies wird umso deutlicher, indem
sie bewusst auf jeglichen gesprochenen
Kommentar verzichtet. CarmenLosmann
schafft es vielmehr, allein die Macht der
Bilder für sich sprechen zu lassen. Was
das Publikum letztlich darin hineininter-
pretiert, darauf hat sie keinen Einfluss –
will sie auch nicht. „Mich interessieren
persönlich gerade die Filme am meisten,
die mich in einer bestimmten Weise irri-
tieren, die mein Denken herausfordern,
mich als Zuschauer rütteln und packen,
wo man letztlich selbst nicht ganz so ge-
nau weiß, was man nun davon zu halten
hat“, erklärt Losmann.
Befremdliche Sprache
Und das Konzept geht auf. Dieter Kern hat
sie jedenfalls zum Nachdenken angeregt.
Vor allem die befremdliche Sprache, die
in der Welt der Personaler und Berater
gesprochen wird, ist ihm erst durch den
Film so richtig bewusst geworden. Von
„Restrukturieren“, „Reorganisieren“,
„Human Capital“, „Change“, „Aktivitäts-
kennzahlen“ und „Performanceboard“ ist
da beispielsweise die Rede. Eine Personal-
verantwortliche der Deutschen Post geht
sogar noch einen Schritt weiter: „Ich habe
die ­Vision, den kulturellen Wandel nach-
haltig in die DNA jedes einzelnen Mitar-
beiters zu pflanzen“, sagt sie.
„Mit diesem technokratisch anmu-
tenden, teils einfach komischen Sprach-
duktus hat man sich mancherorts zu
weit von den relevanten Lebenswelten
und Realitäten außerhalb der HR-Welt
entfernt – und dies wird dem Zuschau-
er deutlich vor Augen geführt“, betont
Kern. Er stellt die berechtigte Frage:
„Muss das so sein?“ Interessant dabei:
Von
Nicole Schrehardt
(Red.)
C
armen Losmann nimmt uns in
ihrem Debütfilm „Work hard
– play hard“ mit auf einen
abenteuerlichen, zugleich auch
ernüchternden Streifzug durch die „schö-
ne, neueArbeitswelt“, woHumanResour-
ce Management und Architektur Hand
in Hand gehen. Eine viel­versprechende
Symbiose mit dem Ziel, den Menschen
zu Höchstleistungen anzutreiben, ihm
im Idealfall gar zu einem grenzenlosen
„Flow“ zu verhelfen. Denn nur so kann
er sein Optimum erreichen.
Das ist ein Bild von HR, das Dieter
Kern, Head of HR Transformation, Or-
ganizational Development & Change
Management bei Mercer, nicht unkom-
mentiert stehen lassen kann – greift es
seiner Meinung nach doch viel zu kurz.
Nichtsdestotrotz sieht auch er die ein-
malige Chance, die der Film der jungen,
bis dato unbekannten Regisseurin bietet:
„Der Film lädt doch dazu ein, die eigene
Praxis zu reflektieren und so die eine
oder andere Irrung abzustellen“.
Insofern ist „Work hard – play hard“
vor allem eines: ein Lehrstück für HR,
vorausgesetzt, man lässt sich unvorein-
genommen auf dieses Abenteuer ein.
Dieter Kern hat es getan und seine Er-
fahrungen mit dem Personalmagazin
geteilt. Zugleich hatte auch Carmen
Losmann die Möglichkeit, ihre Sicht der
Dinge darzulegen.
Instrumentalisierte Wohlfühloasen
Mitarbeiter sollen künftig nicht mehr
merken, dass sie überhaupt arbeiten.