Seite 16 - personalmagazin_2011_12

Basic HTML-Version

„GroßeAufgabe, kleine Schritte“
INTERVIEW. Wie führt man, wenn die Mitarbeiter nur virtuell präsent sind?
Jutta Rump erwartet ein neues Führungsverständnis - mit neuen Akzenten.
personalmagazin:
Gibt es Erkenntnisse
darüber, ob oder wie mobiles Arbeiten
gegebenenfalls die Produktivität der
Mitarbeiter erhöht?
Jutta Rump:
Ich kenne nur die Erkennt-
nisse, die sich auf einer qualitativen
Ebene bewegen. Wenn mobiles Arbeiten
in Kombination mit der Vereinbarkeit
von unterschiedlichen Lebenssitua-
tionen und Berufsphasen stattfindet
und jemand damit gut zurechtkommt,
sagen Ihnen alle Quellen, dass das
zu Produktivitätssteigerungen führt.
Bei Mitarbeitern, die sich mit diesen
Arbeitsbedingungen nicht wohl fühlen,
sinkt die Produktivität allerdings.
personalmagazin:
Gibt es spezielle
Bereiche, die sich besonders gut für
mobiles Arbeiten eignen?
Rump:
Da antworte ich im Umkehr-
schluss: Nicht geeignet sind Produkte
oder Gegenstände, die an einem be-
stimmten Ort hergestellt werden. Zum
Beispiel in der Produktion mit Schicht-
arbeit. Oder Dienstleistungen, die von
einer ganz bestimmten Person an einem
ganz bestimmten Ort wahrgenommen
werden, zum Beispiel vom Friseur oder
Installateur. Alle anderen Berufe, die
mit den eher mittelbaren Funktionen zu
tun haben, haben irgendwo ein Poten-
zial zur mobilen Arbeit. Also beispiels-
weise Marketing, bestimmte Bereiche
im Personalwesen und so weiter. Eben
alles, was nicht unbedingte Standortnot-
wendigkeit voraussetzt.
personalmagazin:
Wie führt man denn
solche Mitarbeiter?
Rump:
Man nennt das Führen auf
Distanz. Das bedeutet vor allem über
Ziele und Ergebnisse zu führen.
Andere Instrumente können Sie gar
nicht mehr nutzen. Es geht darum,
kleine Arbeitspakete mit einem ganz
bestimmten Zeithorizont und mit einer
Meilensteinplanung zu schnüren. Dann
die Ergebnisse anschauen und prüfen,
inwiefern man nachjustieren muss und
kann. Wichtig ist, sich als Führungs-
kraft Gedanken über die große Aufgabe
zu machen.
personalmagazin:
Das setzt voraus, dass
die Führungskräfte das auch können.
Rump:
Die Führungskräfte müssen die
Kompetenzen haben, auf Distanz zu
führen und mit diesen Instrumenten
umzugehen. Und wenn es mal nicht
in die richtige Richtung läuft, mit
kleineren Arbeitspaketen oder mit
dezidierten Mitarbeitergesprächen
unterstützend zu wirken. Das ist ein
völlig anderes Führungsverständnis
– Führung definiert sich auch anders.
Ihre Bedeutung zeigt sich darin, wie
reibungslos das mobile Team läuft.
An eine solche Arbeitsform müssen
sich beide Seiten erst gewöhnen. Und –
das ist essentiell – man muss sehr viel
Vertrauen haben.
personalmagazin:
Wirkt sich die zuneh-
mende Mobilität auf die Karriere aus?
Rump:
Wir befinden uns hier an einer
ganz entscheidenden Stelle. Karrieren
wurden bisher immer über Präsenz-
kultur gemacht. Mobiles Arbeiten
widerspricht der Präsenzkultur. Wer
früher mobil gearbeitet hat, war von
den Karriereperspektiven irgendwann
abgeschnitten. Mit der Zunahme des
mobilen Arbeitens werden Karrieren
und Präsenzkulturen irgendwann
zumindest annähernd entkoppelt.
Präsenzkultur heißt dann nicht mehr
zeitlich und örtlich anwesend zu sein,
sondern eher präsent zu sein mit
seinen Ergebnissen und Projekten. Es
reicht dann, wenn der Chef vom Mitar-
beiter hört oder liest.
personalmagazin:
Bei der Telearbeit sprach
man oft von der Vereinsamung der Mit-
arbeiter. Ist das noch ein Thema?
Rump:
Meine Erfahrung sagt deutlich,
man braucht die gemeinsame Zeit und
16
MOBILE ARBEITSWELT
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin 12 / 11
TITEL
Professorin für Allgemeine Betriebswirt-
schaftslehre, Fachhochschule Ludwigs-
hafen, Geschäftsführerin Institut für
Beschäftigung und Employability
Prof. Dr. Jutta Rump