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BONUSSYSTEME
personalmagazin 11 / 11
individuellen Anteil am Bonus. Der fiel
dann teilweise niedriger aus, obwohl
die individuellen Ziele erreicht waren.
personalmagazin:
Wie gingen Sie die
vorhin angesprochene Führungsproble-
matik an?
Marquardt:
Hier haben wir den Zielkata-
log für unsere Führungskräfte so erwei-
tert, dass sie mehr Unterstützung bei
der Bewertung erhalten. Die positive
Tendenz haben wir dadurch aber auch
nicht merkbar beeinflusst.
personalmagazin:
Herr Kramarsch, Wie
müssten denn Ziele gestaltet sein,
damit sie tatsächlich im Bonussystem
effektiv angewendet werden können?
Kramarsch:
Individuelle Ziele müssen re-
levant, individuell nachvollziehbar und
messbar sein. Zudem sollte der Prozess
des individuellen Performance Manage-
ments mit Gesprächen zu Zielvereinba-
rung und -messung abgesteckt sein.
personalmagazin:
Warum haben die Justie-
rungen im System bei Infineon Ihres
Erachtens nicht geholfen?
Kramarsch:
Natürlich kann man Ska-
len in der Bewertung verändern, die
Gewichtung von Zielkategorien oder
andere technische Systemparameter
modifizieren. Aber das ändert nichts
am generellen Problem, dass es meist
eine prozessuale und kulturelle Lösung
braucht. Und diese läuft im Kern darauf
hinaus, dass sich Führungskräfte nicht
vor Führung scheuen und hinter einem
Vergütungssystem verstecken dürfen.
personalmagazin:
Sind Probleme in einem
Bonussystem also immer eine Füh-
rungsfrage?
Kramarsch:
Oft, aber nicht immer. Man
muss unterscheiden, was genau
hinter den beobachteten Problemen
steckt: Erzielt der Bonus nicht mehr
die gewünschte Motivationsfunktion?
Dann muss man die Führungs- und
Leistungskultur überdenken. Oder sind
die Bonuskosten nicht variabel? Dann
ist das Vergütungssystem zu ändern.
Meines Erachtens wird aber viel zu oft
an den Systemen herumgeschraubt und
die Führungskultur vernachlässigt.
personalmagazin:
Wie hat Infineon jetzt
das neue Bonusmodell aufgebaut, um
beide Ebenen des Problems lösen zu
können?
Marquardt:
Wir haben den individu-
ellen und den Teambonus abgeschafft.
Dadurch ersparen wir uns enorme ad-
ministrative Kosten. Als Bonus erhalten
die Mitarbeiter die Gewinnbeteiligung,
damit halten wir die Kosten flexibel und
sie stehen im direkten Zusammenhang
mit dem Unternehmenserfolg.
Kramarsch:
Hier muss ich einmal kritisch
einhaken. Sich lediglich am Unter-
nehmenserfolg zu orientieren, löst bei
großen Unternehmen vielleicht die
Frage der Finanzierung, nicht aber die
des Performance Managements.
Marquardt:
Da bin ich ganz anderer Mei-
nung. Bei uns war gerade die Verbes-
serung des Performance Managements
ein Anliegen im neuen Bonussystem.
Ich bin davon überzeugt, dass wir ein
besseres Performance Management
leisten können, indem der Bonus im
Feedbackgespräch nun keine Rolle
mehr spielt. Davon erhoffen wir uns
mehr Ehrlichkeit. Der Fokus wird wie-
der stärker auf die Entwicklungsmög-
lichkeiten der Mitarbeiter gelegt.
personalmagazin:
Sie gehen also grund-
sätzlich davon aus, dass die Leistung
der Mitarbeiter nicht über den individu-
ellen Bonus geregelt werden kann?
Marquardt:
Nein, das muss ich einschrän-
ken. Wir denken, dass der Grundsatz
„Pay for Performance“ besser bei der
Gehaltsentwicklung angewendet wer-
den kann. Bei der Gruppe der Vertriebs-
mitarbeiter haben wir den individuellen
Anteil am Bonus allerdings beibehalten.
Dort gehört er dazu, um das Gehalt
wettbewerbsfähig zu gestalten.
personalmagazin:
Haben Sie auch dafür
gesorgt, dass das Gehalt anderer Mit-
arbeitergruppen bei Infineon wettbe-
werbsfähig ist?
Marquardt:
Ja, haben wir. Zwar verzich-
ten wir auf den individuellen Bonus,
dafür ist das Fixgehalt höher. In guten
Zeiten erhalten die Mitarbeiter in der
Summe sogar mehr Gehalt als früher.
personalmagazin:
In schlechten Zeiten
aber auch weniger als vorher. Haben Sie
nicht Angst vor Motivationsverlusten?
Marquardt:
Nein, wie gesagt, wir stär-
ken mit unserem neuen Modell das
Performance Management, indem wir
mehr Personalentwicklung betreiben
können. Sonderzahlungen für außer-
gewöhnliche Leistungen sind nach wie
vor möglich. Diese werden allerdings
nicht an eine Zielsetzung im Vorfeld
geknüpft, sondern nur im Nachhinein
als echte Belohnung ausgezahlt.
personalmagazin:
Dann haben Sie wohl
das ideale Modell gefunden.
Marquardt:
Zumindest das ideale Modell
für Infineon. Es gibt kein Patentrezept
für ein Vergütungsmodell. Dieses passt
auf unsere Bedürfnisse. Andere Unter-
nehmen müssen ihren Weg finden. An
unserem Beispiel sieht man aber, dass
man das Bonussystem in jedem Fall
überdenken muss, wenn es nicht den
gewünschten Effekt hat oder zu aufwen-
dig ist. Man sollte nicht einfach an alten
System festhalten.
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.
„Ohne den individuellen Bonus können wir ein
besseres Performance Management leisten.“
Dr. Thomas Marquardt, Head of Human Resources, Infineon Technologies AG
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