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ORGANISATION
personalmagazin 10 / 11
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ORGANISATIONSENTWICKLUNG
nicht, ist egal, solange der Mitarbeiter
weiß, was er gut und noch nicht ganz
so gut macht und welche Möglichkeiten
zur Verbesserung er bekommt. Es geht
um ein gutes Gespräch und nicht die
passgenaue Exekution des Instruments.
Ist dies eine Utopie? In Zeiten des de-
mografischen Wandels wird sich fortan
ohnehin der gute Mitarbeiter seinen Vor-
gesetzten aussuchen können.
Die eigenen Flausen bekämpfen
Als Viertes empfehlen wir die Konzen-
tration auf den systemischen Kern von
HR-Management: Oft wird der Personal-
bereich allein schon durch steigenden
Kostendruck des Unternehmens auf
das Wesentliche reduziert. Man hat sich
vom Wünschenswerten bereits verab-
schieden müssen. Zudem findet Human-
Resources-Management bei vielen Auf-
gabenstellungen durch die Mitarbeiter
selbst oder deren direkte Vorgesetzte
statt. Der Personaler ist dabei schlicht
derjenige, der die anderen dazu befähigt.
Dennoch müssen wir uns vor den Ver-
suchungen am Wegesrand hüten. Hier
sind es Hobbys, wie etwa eine überzo-
gene Diagnostik, dort sind es Flausen,
wie etwa Managementtrainings an ei-
ner amerikanischen Kaderschmiede,
andernorts sind es Passionen wie eine
ureigene Change-Management-Toolbox.
So etwas bringt nur selten Mehrwert.
Wir raten fünftens, die Erlaubnis zur
Abweichung und Individualität durch die
Orientierung an den Kundenwünschen
zu geben. Wer Diversität, Adaptivität und
Flexibilität von Personen als unterneh-
merischen Grundsatz postuliert, sollte
dies auch bei den Strukturen, Prozessen,
Systemen, Instrumenten und Normie-
rungen im Unternehmen akzeptieren
können. Konkret bedeutet dies Verzicht
auf Homogenitätswünsche der Zentra-
le. Übrigens: Wenn Einheitlichkeit und
deren Durchsetzung im Gesamtunter-
nehmen doch nötig scheinen, dann wäre
eine Implementierung durch erfahrene
Umsetzungsmanager oft wirkungsvoller
als Umsetzungsstümperei durch das für
die Policy zuständige und im Rollout un-
erfahrene Kompetenzcenter.
Der sechste Ansatzpunkt heißt: „Mut
zur Lücke“. Nicht alles kann geregelt und
abgesichert werden. Dies kann sogar be-
deuten, dass in Einzelfällen (meist nur
ahnungslos) gegen Compliance, gegen
Rechtssicherheit und gegen Gerech-
tigkeit – was auch immer dies jeweils
konkret bedeutet – verstoßen wird. Das
persönliche Risiko dieser Aufforderung
für den jeweils Verantwortlichen ist uns
bewusst. Nötig dafür sind natürlich ei-
ne entsprechende Unternehmenskultur
sowie Kompetenzcenter, die keine Ober-
bedenkenträger sind und nicht nach all-
seitiger Absicherung streben.
Klare Strukturen – auch in der Matrix
Siebtens sind klare Entscheidungen
durch klare Strukturen herbeizuführen.
Keine Verwässerung oder Verzögerung
durch zwei- oder gar dreidimensionale
Matrixorganisationen! Der Personaler
sollte sich lieber mit der klassischen Hie-
rarchie und so „gekonnt von der Seite“
zum Beispiel als exzellenter Business-
Partner beteiligen. Das ist besser als das
wirkungslose „Dotted-Line-Prinzip“ in
der Matrix.
Der letzte Ansatzpunkt ist unseres
Erachtens das Reduzieren der Kosten
aus dem „Labour-Relationship-Manage-
ment“: Selbstverständlich ist die sozial-
partnerschaftliche Zusammenarbeit in
Deutschland ein wichtiges Kulturgut.
Das soll auch so bleiben. Die Anzahl
und Varianz von Tarifverträgen und
Vereinbarungen sowie die Vielzahl von
Gremien ist insbesondere in großen Un-
ternehmen ein echter Kostenfaktor mit
fragwürdiger Beschäftigungstherapie
sowie taktischen Ablenkungsmanövern
und zudem oftmals intransparent. Was
würde eigentlich passieren, wenn man
diesen Verwaltungsaufwand durch
schlanke Lösungen ersetzen und die
Einsparungen – zu gleichen Anteilen –
zwischen Arbeitnehmern (nicht den Ge-
werkschaften) und Eigentümern (nicht
den Managern) verteilen würde?
Einen Versuch wäre es allemal wert
Natürlich bieten wir acht maßlose An-
satzpunkte für „Simplify HR“. Oft gibt es
sehr gute Gründe für die formelle, kom-
plexe und differenzierte Lösung. Diese
ist jedoch nicht in jedem Fall die überle-
gene Herangehensweise – sondern viel-
leicht nur die Variante, welche für die
persönliche Zielsetzung unverfänglicher
und in puncto Absicherung risikoloser
ist. Wenn wir als Personaler das Ver-
waltungswesen und den Papierkrieg im
Sozial- und Arbeitsrecht und den damit
einhergehenden Abstimmungsaufwand
– zu Recht – beklagen, müssen wir uns
davor hüten, zielsicher meist selbst die
formale Lösung der simplen vorzuzie-
hen. Die Business-Manager werden es
uns danken und uns – bei einer entspre-
chenden Unternehmenskultur – an den
Grenzen des „Richtigen“ kaum im Regen
stehen lassen.
Geschäftsführer People
Consulting
Martin Claßen
Präsident des BPM und
Geschäftsführer Airbus
Operations GmbH
Joachim Sauer
„Simplify HR“ heißt, lieb gewonnene Hobbys in der
Personalarbeit am Wegesrand liegen zu lassen und
nach simplen Lösungen ohne Schnörkel zu suchen.