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ARBEITSZEIT
stensatz: Es kommt darauf an. Was den
Umfang der Tätigkeit betrifft, so besteht
in Unternehmen, die nicht tarifgebunden
sind, durchaus die Möglichkeit, ohne Be-
teiligung des Betriebsrats mit einzelnen
Arbeitnehmern rechtswirksame Arbeits-
zeitvereinbarungen zu treffen – soweit
die schon beschriebenen Höchstgrenzen
des Arbeitszeitgesetzes dabei nicht über-
schritten werden.
Anders kann dies jedoch sein, wenn
man im Einzelfall nicht eine dauerhafte
vertragliche Erhöhung der Arbeitszeit
vereinbart, sondern Überstunden „an-
ordnet“, mit denen sich der Arbeitneh-
mer jeweils einverstanden erklärt.
Hier kann der Betriebsrat einwenden,
dass die Anordnung von Überstunden
ein mitbestimmungspflichtiger Tatbe-
stand ist. Derlei Verstöße können nach
der „Theorie der Wirksamkeitsvoraus-
setzung“ auf das Individualrecht durch-
schlagen.
Nach kreativen Auswegen fahnden
Angesichts der grundsätzlichen Be-
schränkung von Arbeitszeitregelungen
durch das Arbeitszeitgesetz sollte aller-
dings nicht außer Acht gelassen werden,
dass es eine ganze Reihe von Möglich-
keiten gibt, die starren Arbeitszeitre-
gelungen an betriebliche Erfordernisse
anzupassen. An erster Stelle sei hier auf
mögliche tarifvertragliche Gestaltungs-
möglichkeiten hingewiesen. Auch wenn
es auf den ersten Blick unlogisch er-
scheinen mag: Gerade wenn ein Betrieb
tarifgebunden ist, so kann den Fachvor-
gesetzten möglicherweise eine elegante
Möglichkeit offeriert werden, wie deren
Arbeitszeitwünsche zumindest zum
Teil Wirklichkeit werden können. Das
Zauberwort heißt „tarifliche Öffnungs-
klausel“. Dies bedeutet nichts anderes,
als dass die Tarifvertragsparteien von
der Möglichkeit Gebrauch machen kön-
nen, ihrem Anspruch auf eine starre
Festlegung der Arbeitszeit zugunsten
einer betrieblichen Regelung aufzuge-
ben. So können zum Beispiel nicht nur
erhebliche Arbeitszeitverlängerungen
im Falle von Bereitschaftsdiensten ver-
einbart werden. Auch von den starren
Regelungen über Ausgleichs- und Ruhe-
zeiten kann durch betrieblich bedingte
Ausnahmen abgewichen werden.
Ob und welche Abweichungen vomAr-
beitszeitgesetzmöglich sind, ist daher im
Einzelfall unter Hinzuziehung der even-
tuellen Öffnungsklausel im einschlä-
gigen Tarifvertrag zu prüfen. ImRegelfall
bestimmt der Tarifvertrag allerdings,
dass die Abweichungen nicht direkt mit
dem Arbeitnehmer vereinbart, sondern
nur durch Betriebsvereinbarung zusam-
men mit dem Betriebsrat eingeführt
werden können. Manch ein Tarifvertrag
überlässt es sogar den Betriebsräten vor
Ort, in einem bestimmten Korridor die
Wochenarbeitszeit abweichend vom Ta-
rifvertrag festzulegen – eine Kompetenz,
die nach dem allgemeinen Tarifrecht nur
den Tarifpartnern zusteht.
Aufspringen auf den Tarifvertrag
Auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber
können unter bestimmten Vorausset-
zungen von der Möglichkeit, vom Ar-
beitszeitgesetz abzuweichen, Gebrauch
machen. Das geht, indem sie einzelver-
traglich Bezug auf den einschlägigen
Tarifvertrag nehmen und dann die
Möglichkeit haben, mit Betriebsverein-
barungen legale Abweichungen vom Ar-
beitszeitgesetz zu definieren.
Etwas schwieriger, aber nicht unmög-
lich, wird dieses Aufspringen auf eine
tarifliche Öffnungsklausel selbst dann,
wenn kein Betriebsrat existiert. Nach
§ 7 Abs. 3 Arbeitszeitgesetz können die
vom Tarifvertrag abweichenden Arbeits-
zeitvereinbarungen in diesem Fall auch
durch schriftliche Vereinbarung zwi-
schen dem Arbeitgeber und dem Arbeit-
nehmer übernommen werden.
RECHTSGRUNDLAGE
(1) In einem Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstver-
einbarung kann zugelassen werden, [...]
die Arbeitszeit über zehn Stunden werktäglich zu verlängern, wenn in die Arbeitszeit
regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst fällt,
einen anderen Ausgleichszeitraum festzulegen [...].
(3) Im Geltungsbereich eines Tarifvertrags nach Absatz 1, 2 oder 2a können abweichende
tarifvertragliche Regelungen im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers durch
Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht,
durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernom-
men werden. Können aufgrund eines solchen Tarifvertrags abweichende Regelungen in einer
Betriebs- oder Dienstvereinbarung getroffen werden, kann auch in Betrieben eines nicht
tarifgebundenen Arbeitgebers davon Gebrauch gemacht werden.
§ 7 Arbeitszeitgesetz bietet unter anderem diese Möglichkeiten
Es gibt eine ganze Reihe von Möglichkeiten,
die starren Regelungen des Arbeitszeitgesetzes
an betriebliche Erfordernisse anzupassen.
TITEL