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08 / 10 personalmagazin
Neue Trends in der bAV
ÜBERBLICK. Die aktuelle Marktpraxis in der
betrieblichen Altersversorgung wird von sieben
unterschiedlichen Trends maßgeblich geprägt.
W
ie reagiert der Markt auf
die Herausforderungen der
bAV durch den demogra-
fischen Wandel, unsichere
finanzielle Versorgung im Alter, neue
Erwerbsbiografien bei gleichzeitigem
Kostendruck? Und welche Anknüpfungs-
punkte ziehen Unternehmen daraus für
ihre Versorgungssysteme? Aktuelle Stu-
dien und Beratungsprojekte von Towers
Watson lassen sieben Trends erkennen:
Teil eines ganzheitlichen HR-Ansatzes
In der arbeitgeberfinanzierten bAV zeigt
sich eine deutliche Trendumkehr: Waren
die vergangenen Jahre eher durch das Be-
streben geprägt, das Gewicht hoher Alt-
zusagen zu reduzieren, gewinnt die bAV
nun zur Gewinnung und Bindung von
talentierten Mitarbeitern wieder an Be-
deutung. Viele Unternehmen verbessern
den Dotierungsrahmen und integrieren
die Entgeltumwandlung in eine attrak-
tive bAV-Gesamtlösung. So bietet mehr
als die Hälfte der in der Benchmark-Stu-
die von Towers Watson betrachteten Un-
ternehmen bei neueren Pensionsplänen
eine integrierte Möglichkeit zur Entgelt-
umwandlung. Häufig wird ein (zusätz-
licher) Arbeitgeber-Matching-Beitrag zur
Förderung der Eigenvorsorge gewährt.
Die bAV soll sich schlüssig in die Ge-
samtvergütungsstruktur einfügen. Diese
Zielsetzung prägt die Neugestaltung von
Pensionsplänen wesentlich.
Die Reaktion der Mitarbeiter bestätigt
den Trend: Nur 35 Prozent der Arbeit-
nehmer in Deutschland fühlen sich damit
wohl, ihre finanzielle Versorgung im Al-
ter selbst sicherzustellen (Towers Watson
GlobalWorkforceStudy2010). Eineattrak-
tive bAV kann so maßgeblich zur Mitar-
beitergewinnungund -bindungbeitragen.
Anpassbar an individuelle Situation
Besondere Wertschätzung bringen Mit-
arbeiter Versorgungslösungen entgegen,
die sich durch einen guten Risikoschutz
in der Anwartschaftsphase und Flexibili-
tät in der Auszahlungsphase auszeichnen.
Gerade jüngere Mitarbeiter und ihre
Angehörigen sind aufgrund der ver-
gleichsweise geringen Leistungen aus
der gesetzlichen Sozialversicherung auf
eine gute Absicherung bei Invalidität
oder einem frühen Todesfall angewiesen.
Für Unternehmen ist die Planung des Ri-
sikoschutzes eine Herausforderung: So
können bei einer Festrente mit jährlicher
Erhöhung imAlter von 25 Jahren bis zu 45
Prozent des Anwartschaftsbarwerts auf
lebenslange Rentenleistungen aufgrund
vorzeitiger Versorgungsfälle entfallen.
Tatsächlich tritt in einzelnen Branchen je-
doch nur etwa ein Viertel der kalkulierten
Invaliditätsfälle ein. Wird dies berück-
sichtigt, bietet das Spielraum für attrak-
tivere Leistungen. Den unterschiedlichen
Lebenssituationen und Präferenzen ihrer
Mitarbeiter tragen viele Unternehmen
Rechnung durch Wahloptionen oder Do-
tierungsverschiebungen zwischen Risiko-
schutz und Altersleistung.
Mitarbeiterpräferenzen spiegeln sich
auch in Plangestaltungen der Leistungs-
phase wider. Nur noch 36 Prozent der
Unternehmen bieten laut der Towers-Wat-
son-Studie „Pension Risk Management
und Anlage von Pensionsvermögen in
multinationalen Konzernen“ ausschließ-
lich Rentenzahlungen als Altersleistung
an. Die überwiegende Mehrzahl ermög-
licht den Mitarbeitern Raten- oder Ein-
malkapitalauszahlungen und gewährt
gegebenenfalls auf Antrag eine lebens-
lange Altersrente.
Risikoübertragung auf externe Dritte
Die Gewährung von Kapitalzahlungen ge-
fällt nicht nur den Mitarbeitern, sondern
hilft Unternehmen auch dabei, das so ge-
nannte Langlebigkeitsrisiko zu reduzie-
ren. Traditionell werden bAV-Risiken bei
der Gestaltung eines Pensionsplans ent-
weder weitgehend dem Arbeitgeber oder
dem Arbeitnehmer zugeordnet. Moderne
Finanzmarktinstrumente lösen dieses
„Schwarz-Weiß-Denken“ auf, indem sie
das Risiko auf externe Dritte, zumBeispiel
Versicherungen oder den Kapitalmarkt,
übertragen. Wird diese Option bereits bei
der Plangestaltung berücksichtigt, kann
das für Arbeitnehmer und Arbeitgeber
gleichermaßen effizient und attraktiv
sein. Allerdings nutzen Unternehmen
kapitalmarktbasierte Immunisierungs-
strategien bislang eher zur Absicherung
von Zins- und Inflationsrisiken. Biome-
trische Risiken werden noch selten über
den Kapitalmarkt abgesichert.
Von
Stephan Wildner
Online
Weitere Trends sind die Kombination
unterschiedlicher Durchführungswege,
die Professionalisierung des Pension-
Risk-Managements, die Systematisie-
rung der Pension Governance sowie
die gezielte Prozessoptimierung in
der bAV-Verwaltung. Mehr dazu auf
Dr. Stephan Wildner
leitet den Bereich General
Consulting von Towers Watson Reutlingen.