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TARIFBINDUNG
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personalmagazin 09 / 09
Das Tarif-Labyrinth durchschauen
GESTALTUNG. Die Frage, wann Tarifbindungen enden, bleibt kompliziert.
Von der Rechtsprechung werden immer neue Hürden aufgestellt.
G
erade in wirtschaftlich schwie-
rigen Zeiten versuchen Un-
ternehmen immer wieder, die
Fesseln der tarifvertraglichen
Bindungen abzustreifen. Die Hürden
sind allerdings hoch. Zusätzlich zu den
gesetzlichen Anforderungen erschwert
eine Reihe von BAG-Entscheidungen
das Ziel einer tariflosen Vertragsge-
staltung. Ausgangspunkt ist § 3 Abs. 1
Tarifvertragsgesetz (TVG). Danach sind
die Mitglieder der Tarifvertragsparteien
tarifgebunden. Entscheidend für die Ta-
rifbindung ist daher die Mitgliedschaft
im Arbeitgeberverband und in der Ge-
werkschaft.
Fallen beim Verbandsaustritt
Für die Tarifbindung des Arbeitgebers
ist die Mitgliedschaft im Arbeitgeber-
verband entscheidend. Will er sich der
Fesseln des Tarifvertrags entledigen, so
wird er daher einen Austritt in Erwä-
gung ziehen. Für die Wirkungen dieses
Schritts kommt es zunächst einmal da-
rauf an, ob der Austritt wirksam erfolgt
ist. Tritt etwa der Arbeitgeber kurz vor
dem Abschluss eines aus seiner Sicht zu
teuren Tarifvertrags durch Vereinbarung
mit dem Arbeitgeberverband mit sofor-
tiger Wirkung aus dem Verband aus, so
kommt es für die Wirksamkeit dieses
Schritts darauf an, ob die Satzung des
Verbands dieses Vorgehen vorsieht (BAG
vom 20. Februar 2008, 4 AZR 64/07).
Wechselt der Arbeitgeber in eine OT-
Mitgliedschaft (ohne Tarifbindung), so
entspricht das nur dann einem Austritt,
wenn die OT-Mitglieder keinen maßge-
benden Einfluss auf tarifpolitische Ent-
scheidungen haben können (BAG vom
22. April 2009, 4 AZR 111/08).
Nachbindung relativiert den Austritt
Aber auch nach einem Austritt bleibt
die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers
nach § 3 Abs. 3 TVG bestehen, bis der
Tarifvertrag endet („Nachbindung“). Das
bedeutet, dass nach der Beendigung der
Mitgliedschaft neu abgeschlossene Tarif-
verträge für den Ausgetretenen nicht gel-
ten. Ebenso besteht keine Tarifbindung
nach § 3 Abs. 3 TVG, wenn der Tarifver-
trag insgesamt beendet wird. Aber auch
jede inhaltliche Änderung eines Tarif-
vertrags steht der Beendigung gleich mit
der Folge, dass die Nachbindung nach §
3 Abs 3 TVG endet. Entgegen einer weit-
verbreiteten Ansicht in der Literatur ist
allerdings das Verstreichenlassen einer
Möglichkeit durch den Arbeitgeberver-
band, den Tarifvertrag zu kündigen, kein
die Nachbindung beendender Tatbestand
(BAG vom 1. Juli 2009, 4 AZR 261/08). Es
Von
Hans-Peter Löw
Ablaufplan Tarifbindung
Nach der Unterscheidung zwischen echter Tarifbindung und Bezugnahme verzweigen sich
die Entscheidungswege. Den Ausschlag gibt die Ausgestaltung.
Quel le:Lovel ls
Bindung an den Tarifvertrag
kollektivrechtlich § 3 Abs. 1 TVG
Austritt
aus dem
Verband
Tarifvertrag
Betriebsver-
einbarung
§ 77 Abs.
3 BetrVG
beachten
Individual-
vertrag nur,
wenn auf
die Besei-
tigung der
Nachwirkung
gerichtet
Nachbindung § 3 Abs. 3 TVG
unmittelbar, zwingend
statische
Verweisung
Ablösung durch
Ende des Tarifvertrages
Auslegung
Verhältnis zueinander
Bezugnahme ist konstruktiv
keine Inhaltsände-
rung durch tatsäch-
liche Veränderungen
Vor dem
1.1.2002
geschlossen
Gleichstellungs-
abrede nur bei
ursprünglich
tarifgebun-
denem
Arbeitgeber
Tatsächliche
Veränderungen
haben nur
Auswirkungen,
wenn in der
Bezugnahme-
klausel zum
Ausdruck
gebracht
Nach dem
31.12.2001
geschlossen
kleine/große dyna-
mische Verweisung
Nachwirkung § 4 Abs. 5 TVG
unmittelbar, nicht zwingend
OT-
Mitglied-
schaft
Betriebs-
übergang
§ 613 a Abs.
1 S. 2 – 4
BGB
individualrechtliche
Bezugnahmeklausel