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SOZIALE NETZWERKE
„Nicht nur für das Recruiting“
INTERVIEW. US-Unternehmen nutzen soziale Netzwerke für die Personalarbeit.
Gartner-Analyst Thomas Otter erklärt die Möglichkeiten und nennt Beispiele.
personalmagazin:
Herr Otter, wie können
soziale Netzwerke für die Personalar-
beit genutzt werden?
Thomas Otter:
Das Hauptthema von HR-
Systemen sind Informationen über Mit-
arbeiter. Auch bei Social Networks geht
es um Informationen über Mitarbeiter.
Der Unterschied ist, dass HR-Systeme
Pflichtsysteme sind. In den ver-
gangenen 50 Jahren haben wir Systeme
entwickelt, über die die HR-Abteilungen
Befehle an die Mitarbeiter weitergeben:
„Bitte geben Sie uns diese oder jene
Informationen zu Ihrer Person oder zu
Ihrer Abrechnung.“ Jetzt haben wir die
neue Welt der Social Networks, über
die uns die Mitarbeiter Informationen
über sich freiwillig geben, weil es Spaß
macht. Die große Frage ist nun: Spielt
die HR-Abteilung da mit?
personalmagazin:
Was genau heißt das?
Otter:
Ein Beispiel. Bei vielen Mitarbei-
tern sind die Informationen über sie in
LinkedIn oder Xing aktueller und tiefer
als die Informationen im HR-System. In
LinkedIn etwa findet man ihre gesamte
Karrierelaufbahn, in den meisten
Firmen ist im HR-System das Feld der
„Work History“ aber leer oder enthält
veraltete Angaben. Wechselt jemand
seine Stelle, aktualisiert er das sofort in
LinkedIn, aber im HR-System dauert die
Aktualisierung oft einige Wochen. Die
Frage für die Personalabteilungen ist
also nicht: Haben die sozialen Netz-
werke Einfluss auf die Mitarbeiter? Die
große Frage ist vielmehr: Was macht
die HR-Abteilung damit? Nutzt sie die
Möglichkeiten oder ignoriert sie diese?
großen Unternehmens tätig sind. So
haben die großen Consulting-Firmen
schon immer gearbeitet – nicht nur in
Zeiten von Social Networks. Aber jetzt
ist es sehr preiswert und sehr einfach
geworden. Auch andere Unternehmen
haben nun die Möglichkeit, Alumni-
Gruppen aufzubauen.
personalmagazin:
Können Sie ein Beispiel
nennen?
Otter:
Es gibt eine „Case Study“ des
Technologieunternehmens Dow in den
USA: Viele Ingenieure in der Chemie-
branche gehen jetzt in den Ruhestand
und spielen Golf. Die jungen Ingenieure
fehlen. Dow nutzt soziale Netzwerke,
um in Verbindung mit den Rentnern
zu bleiben. Diese kommen dann nach
einem Jahr Ruhestand wieder zurück,
um halbtags zu arbeiten, weil es ihnen
auf dem Golfplatz zu langweilig wurde.
Außerdem setzt Dow soziale Netzwerke
für Mentoring-Projekte ein und nutzt
sie, um die Verbindung zu Frauen im
Mutterschutz nicht abreißen zu lassen.
personalmagazin:
Welche weiteren Unter-
nehmen setzen soziale Netzwerke ein?
Otter:
Ein super Beispiel ist Microsoft.
Das Unternehmen nutzt Recruiter
Blogs, in denen Recruiter Tipps geben,
wie sich Kandidaten besser bewerben
können. Sie beantworten Fragen und
machen es dadurch Bewerbern viel
einfacher, als dies über eine Standard-
Webseite möglich wäre. Ein anderes
gutes Beispiel ist der Onboarding-Pro-
zess. Kandidaten, die neu im Unterneh-
men anfangen, fragen sich: Wie ist der
ist Research Director HCM beim IT-
Research- und Beratungshaus Gartner.
Er befasst sich mit Zukunftsthemen wie
Social Software oder Cloud Computing.
Thomas Otter
personalmagazin:
Welche möglichen An-
wendungsfelder gibt es?
Otter:
Soziale Netzwerke haben einen
großen Einfluss auf Recruiting – aber
nicht nur. Eine weitere Möglichkeit ist
das Alumni-Management. Viele Absol-
venten gehen nach der Uni zu einer
großen Consulting-Firma wie Accenture
oder McKinsey, wo sie drei bis vier
Jahre arbeiten, bevor sie in ein anderes
Unternehmen wechseln. Die großen
Consulting-Firmen bauen nun Alumni-
Netzwerke auf. Vielleicht kommen die
ehemaligen Mitarbeiter später wieder
zurück. Außerdem stellen sie sehr gute
Kontakte für den Vertrieb dar, weil sie
nach einigen Jahren häufig im Vorstand
oder zumindest dem Management eines