Seite 56 - personalmagazin_2009_09

Basic HTML-Version

56
ARBEITSZEITFLEXIBILISIERUNG
personalmagazin 09 / 09
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
zeitverkürzung durch den Einsatz des
Arbeitszeitkorridors zu erhalten, sind
folgende Faktoren zu beachten:
Es sollte die begründete Hoffnung
bestehen, in überschaubarer Zeit
(etwa zwölf Monate) zur bisherigen
Vertragsarbeitszeit und Vergütung
zurückzukehren. Dadurch können
die Entgelteinbußen besser verkraftet
werden und die Fluktuationsneigung
der Mitarbeiter, die anderswo (auch)
durch längere Arbeitszeit mehr ver-
dienen könnten, wird reduziert.
Die Arbeitszeitverkürzungen müssen
im Ergebnis – auf den jeweiligen Be-
reich bezogen – kollektiv sein. Von
allen Beteiligten nachvollziehbare
Härtefälle können ausgenommen
werden, beispielsweise Mitarbeiter,
die unmittelbar vor dem Eintritt in die
Arbeitslosigkeit stehen. Daher muss
zwingend die Mitarbeitervertretung
an zentraler Position einbezogen
werden. Die Lasten werden dadurch
gleichmäßig verteilt. Nachteile kön-
nen sich ansonsten für Mitarbeiter
ergeben, die sich – anders als ihre
Kollegen – für kürzere Arbeitszeiten
entscheiden und damit in einer für
den Betrieb vielleicht entscheidenden
Phase der Existenzsicherung weniger
zur Verfügung stehen.
Die Arbeitszeit muss verkürzt wer-
den, und zwar auch für Engpassmitar-
beiter. Hier besteht für den Betrieb die
höchste Hürde. Für den Erfolg der hier
entwickelten Strategie ist es aber aus-
schlaggebend, dass einer Geldeinbuße
für die Mitarbeiter der immaterielle
und eventuell sogar materielle Nutzen
vermehrter Freizeit gegenübersteht.
Die Reduzierung der Vertragsarbeits-
zeit allein darf keine sonstigen Ände-
rungen nach sich ziehen. Besonders
wichtig ist dabei, dass sich allein da-
durch Arbeitsaufgabe und Teamzuge-
hörigkeit nicht ändern.
Last but not least sollte es den Mit-
arbeitern freigestellt sein, bei Wie-
deranhebung der Obergrenze des
Arbeitszeitkorridors die aktuelle
Arbeitszeit beizubehalten oder erst
später aufzustocken. Tatsächlich gibt
es gerade unter den Vollzeitbeschäf-
tigten viele Interessenten für kürzere
Arbeitszeiten, die dadurch langfristig
und ohne sonstige Einbußen (etwa hin-
sichtlich eventueller Aufstiegschan-
cen) ermöglicht werden.
Der erste Schritt zur Wahlarbeitszeit
Der Einsatz des Arbeitszeitkorridors
schafft zugleich den Einstieg in die –
für Mitarbeiter attraktive – sogenannte
„Wahlarbeitszeit“. Darunterwirddie –ge-
genüber dem obigen Vorschlag deutlich
weiter gehende – Option für die Beschäf-
tigten verstanden, sich innerhalb einer
bestimmten Bandbreite von Wochenver-
tragsarbeitszeiten einseitig und unter
Einhaltung einer noch festzulegenden
Ankündigungsfrist immer wieder neu
die für sie gerade passende Arbeitszeit-
dauer auszuwählen. Die Wahlarbeitszeit
ist ein Eckstein künftiger betrieblicher
Arbeitszeitsysteme, die angesichts des
demografischen Wandels sehr viel stär-
ker als heute auf die Belange einzelner
Mitarbeiter abgestimmt werden müssen.
Auch der Arbeitgeber profitiert hiervon,
da dann niemand mehr „nur“ wegen
nicht passender Arbeitszeitdauer gehen
muss und die Rekrutierung neuer Mitar-
beiter leichter fallen dürfte.
Das Schaubild illustriert eine denkbare
Kombination von Wahlarbeitszeit und
Arbeitszeitkorridor. Die Gestaltungs-
freiheit der Mitarbeiter bezüglich ihrer
vertraglichen Arbeitszeitdauer ist aber
eingeschränkt: Während einer Absen-
kung der Obergrenze des Arbeitszeitkor-
ridors werden darüber hinausgehende
Wochenarbeitszeiten ausgeschlossen.
Individuelle Arbeitszeitverlängerungen
sind daher nur bis zu diesem Level zu-
lässig. Dabei ist zu unterstellen, dass
solche Absenkungen der Obergrenzen
im Einvernehmen mit den Mitarbeitern
vorgenommen wurden.
Die Krise als Chance
Zusammenfassend spricht einiges für
einen eigenständigen betrieblichenWeg.
Die Beschäftigungskrise bietet dabei die
Chance, die betrieblichen Arbeitszeit-
systeme mittels Arbeitszeitkorridor so
weiterzuentwickeln, dass sie künftig
den wechselnden Anforderungen des
Markts wie der Mitarbeiter wesentlich
besser gerecht werden. Der großzügige
Einsatz der Kurzarbeit wirkt allerdings
als Hemmschuh, der die gemeinsame be-
triebliche Eigenverantwortung schwächt
und die Arbeitskosten erhöht.
ist Partner der Arbeitszeitberatung
Dr. Hoff Weidinger Herrmann in Berlin.
Dr. Andreas Hoff
Arbeitszeitkorridor und Wahlarbeitszeit
Aus einem Korridor von 32 bis 40 Stunden können Beschäftigte ihre Wochenarbeitszeit
wählen. Dieser kannn bei Bedarf eingeengt werden.
Ober- und Untergrenze
des Arbeitszeitkorridors
Mitarbeiter (Beispiele)
Quel le: Dr.Hoff Weidinger Herrmann
40 h/w
38 h/w
36 h/w
34 h/w
32 h/w
ORGANISATION