Seite 42 - personalmagazin_2009_09

Basic HTML-Version

„Es ist keineKuschelführung“
INTERVIEW. Der Führungsstil hat medizinische Folgen für die Mitarbeiter.
Professor Joachim Fischer plädiert darum für eine gesundheitsorientierte Führung.
personalmagazin:
Der Titel Ihres Vortrags
auf dem Demographiekongress 2009
lautet „Das Gehirn und die Arbeit – Wa-
rum die alte Führungskultur schlecht
für Profit und Gesundheit ist.“ Wie
hängen Gehirn und Führungsverhalten
zusammen?
Joachim Fischer:
Enger als wir glauben.
Wären Menschen Maschinen, bräuch-
ten wir über die Frage gar nicht nachzu-
denken. Aber das menschliche Gehirn
beurteilt fortwährend alles um uns
herum, unter anderem danach, ob wir
uns sicher fühlen oder ob Gefahr droht.
Am leistungsfähigsten ist unser Gehirn
in einem Zustand der achtsamen
Freude. Dann ist es wahrscheinlicher,
dass Menschen vernünftige Ideen
entwickeln. Führungskräfte prägen
maßgeblich das Betriebsklima und
das Arbeitsumfeld. Vereinfacht gesagt
steuern sie damit auch die emotionale
Grundbewertung im Gehirn jedes
Mitarbeiters.
personalmagazin:
Was verstehen Sie unter
„alter Führungskultur“?
Fischer:
Die alte Kultur wird oft um-
schrieben mit den Worten „nix ge-
schumpfen ist schon genug gelobt“.
Das geht gut, solange sie Menschen
brauchen, die eigentlich nur noch nicht
erfundene Automaten ersetzen. Wenn
die Wertschöpfung und der Gewinn
aber davon abhängen, dass sich jeder
Mitarbeiter voll engagiert, dass die
Mitarbeiter neue Lösungen erdenken,
Kunden gewinnen – dann funktioniert
das schlechter in einer Grundstimmung
von Furcht und Angst.
personalmagazin:
Inwiefern ist diese Kul-
tur aus medizinischer Sicht schlecht für
Profit und Gesundheit?
Joachim Fischer:
Wir konnten zeigen, dass
unter solch ungünstigen Arbeitsbe-
dingungen verschiedene biologische
Mechanismen dafür sorgen, dass die
Betroffenen schneller altern. Nach der
weltweit durchgeführten Interheart-
Studie ist beispielsweise chronischer
Stress als Risikofaktor für Herzinfarkt
so bedeutsam wie Rauchen.
personalmagazin:
In Ihren Arbeiten spre-
chen Sie von „gesundheitsorientierter
Führung“. Was verstehen Sie darunter?
Fischer:
Ein gesundheitsorientierter
Führungsstil zeichnet sich durch
Wertschätzung, Gewähren von Hand-
lungsspielräumen und überschaubaren
Herausforderungen an sinnvoll erleb-
baren Aufgaben aus. Es geht überhaupt
nicht um „Kuschelführung“. Die Frage
ist, wie wir als Führungskräfte Mitar-
beiter so inspirieren und begeistern
können, dass sie diese Leistung in
einem positiven Zustand von Begeiste-
rung und Identifikation für die Arbeit
erbringen.
personalmagazin:
Im Zuge der Krise stößt
man häufig auf den Begriff „Resilienz“.
Welche Rolle spielt sie bei der gesund-
heitsorientierten Führung?
Fischer:
Resilienz beschreibt die Fä-
higkeit, trotz widrigster Umstände zu
überleben. Für die Forschung ist es
interessant herauszufinden, wie Men-
schen diese Situationen meistern. Ich
plädiere indes eher dafür, die Verhält-
nisse besser zu gestalten. Man muss
die Führungskräfte dazu anhalten, die
neurobiologischen Erkenntnisse und
die positiven Vorbilder anzuerkennen.
Das ist besser, als darauf zu hoffen, bei
jedem einzelnen Mitarbeiter durch Coa-
ching die Resilienz gegen ungünstige
Verhältnisse zu verbessern.
ist Direktor des Mannheimer Instituts
für Public Health der Uni Heidelberg.
Prof. Dr. med. Joachim Fischer
Das Interview führte
Melanie Rößler.
Online
Professor Joachim Fischer hält den Vor-
trag „Das Gehirn und die Arbeit – Warum
die alte Führungskultur schlecht für Profit
und Gesundheit ist“ am 23. September
auf dem INQA-Demographiekongress.
42
FÜHRUNG
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin 09 / 09
MANAGEMENT