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PERSONALquarterly 01 / 15
Wie Anreize wirken
Professor Guido Friebel von der Goethe-Universität sieht in Anreizsystemen einen
guten Weg zur Leistungssteigerung – wenn sie richtig gesetzt werden.
Ruth Lemmer
,
Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
B
orussia Dortmund war im Herbst 2014 das Parade-
beispiel für die Grenze von Anreizsystemen. Die
Fußballer waren mit den doppelten Gewinnzielen
Champions League und Bundesliga überfordert. Was
für Fußballer gilt, gilt auch für Firmen. Im Callcenter eines
Transportunternehmens sank die Leistung der Mitarbeiter mit
der dritten Aufgabe. Expresslieferungen, Beschwerden, Boni
für Kunden – immer mussten die Callcenter-Agenten neue
Masken am PC aufrufen. „Es ist keine gute Idee, Leute durch
zu starke Anreize oder Herausforderungen zu überfordern“,
sagt Guido Friebel. „Dann überwiegen die Kostensteigerungen
den Wert zusätzlicher Leistung.“ Der Personalprofessor an der
Goethe-Universität Frankfurt erforscht Ressourcenbeschrän-
kungen und die Wirkung von Anreizen.
Aktuell untersucht er, ob und wie man einzelne Mitarbeiter
und Teams durch Boni steuern kann. Die Daten erhebt der For-
scher in Unternehmen in randomisierten Feldexperimenten.
„Ein Vertrauensverhältnis zwischen Wissenschaft und Ma-
nagement ist Voraussetzung für diesen Link von der Theorie
in die Realität“, betont Friebel. In einer Bäckereikette mit 200
Backshops erhielten die Mitarbeiter der Hälfte der Shops bei
sieben Prozent mehr Umsatz vier Prozent mehr Gehalt. Die
Ergebnisse: In Städten funktioniert die Kopplung besser als auf
dem Land. Bei jungen Beschäftigten wirkt der Anreiz stärker
und wo mehr Mitarbeiter im Normalarbeitsverhältnis beschäf-
tigt sind, steigt die Leistung pro Kopf stärker als dort, wo mehr
geringfügig Beschäftigte arbeiten.
Von seinen Untersuchungen profitieren auch die Studie-
renden. Sie können praxisnah Aspekte in Bachelor- und Mas­
terarbeiten bearbeiten, auch für Promotionen eignen sich die
empirischen Fragestellungen. Gerade sucht Professor Friebel
ein Unternehmen, in dem er die Effekte von Trainingsmaß-
nahmen untersuchen kann.
Guido Friebel startete seine Karriere als Volkswirt an der
Uni Bielefeld – mit einer Diplomarbeit über die Privatisierung
und ihre Grenzen. 1992 ging er als Praktikant und Berater
für ein Jahr zur Treuhandanstalt. Er begleitete in der Region
Moskau Firmenverkäufe, also Privatisierung ganz praktisch,
bevor er an der Brüsseler Université Libre in Ökonomie über
die Anreize zur Privatisierung promovierte. Die folgenden Sta-
tionen in Forschung und Lehre brachten ihn nach Toulouse und
Stockholm – als Post-Doc-Fellow, als Assistenzprofessor und als
Direktor des Stockholm Institute of Transition Economics. Wie-
der in Toulouse widmete er sich weiter dem Thema Anreize und
hinterfragte die Organisationsstrukturen, in denen Status, Bo-
ni und Geld wirksam werden. Seine internationalen Kontakte
nutzt der Forscher heute, wenn er sich Themen wie Migration
und Familie, Teamanreize und Humankapital vornimmt.
Daneben beschäftigt ihn als Studiendekan die Frage, was
ein gutes Studium eigentlich umfassen muss? Standardisierte
Veranstaltungen, Seminare mit Kleingruppen, Betreuungsrela-
tion – da stößt das Ideal an Geldgrenzen und zwingt die Hoch-
schullehrer zu Kompromissen, etwa Vorlesungen gekoppelt an
Tutorien mit wenigen Teilnehmern. Seit 2007 nun lehrt Friebel
Personalwirtschaft an der Goethe-Universität. Seinen Umstieg
von Toulouse nach Frankfurt meisterten er und seine Familie
auch auf dem Rad: Der Uferpfad des hessischen Flüsschens Nid-
da am neuen Wohnort Bad Vilbel ersetzt die Tour entlang des
südfranzösischen Canal du Midi.
PROF. GUIDO FRIEBEL PH.D
Personalwirtschaft im Wirtschaftswissenschaftlichen Fach­
bereich, Goethe Universität Frankfurt
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