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Service
_Forscherporträt
personalquarterly 02/ 13
Unterschiedliche Bildungsarten würdigen
Personalprofessorin Uschi Backes-Gellner beweist den Nutzen personalökonomischer
Forschung für den Politikbetrieb.
Ruth Lemmer
,
Freie Wirtschaftsjournalistin, Düsseldorf
U
schi Backes-Gellner ist in Deutschland und der
Schweiz gleichermaßen als Politikberaterin gefragt.
Die Professorin, die am Institut für Betriebswirt-
schaftslehre der Universität Zürich die Allgemei-
ne BWL mit den Schwerpunkten empirische Methoden der
Arbeitsbeziehungen und Personalökonomie vertritt, wurde
in die eidgenössische Expertenkommission zur Erarbeitung
eines neuen Weiterbildungsgesetzes berufen und 2011 in die
Expertenkommission Forschung und Innovation der deutschen
Bundesregierung. Mit ihren Aktivitäten beweist sie, dass ex-
zellente Forschung und Hochschullehre sich mit praxisnaher
Arbeit auf hohem Niveau bündeln lassen. Die Basis für ihre
anwendungsorientierte Forschungs- und Überzeugungsarbeit
wurde schon in der Kindheit gelegt. Die 53-Jährige zählt den
Unternehmergeist des Vaters, die Neugierde der Mutter und
das Durchsetzungsvermögen, das sie im Umgang mit ihren
Geschwistern frühzeitig trainierte, zu ihren Grundfesten. Nach
dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Trier promovierte
sie in Betriebswirtschaft – betrachtete also die Wirtschaft ma-
kro- wie mikroökonomisch.
Nach wissenschaftlichen Aufenthalten in den USA forschte
sie in Trier am interdisziplinären Institut für Arbeitsrecht und
Arbeitsbeziehungen in der EU. 1995, unmittelbar nach ihrer
Habilitation zu betrieblichen Bildungs- undWettbewerbsstrate-
gien im deutsch-britischen Vergleich folgte sie einemRuf an die
Universität zu Köln. Dort gründete sie das personalwirtschaft-
liche Seminar in der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre.
Seit sie die Domstadt zuerst für einen weiteren Forschungsauf-
enthalt in Richtung USA und 2002 in Richtung Schweiz verließ,
weil sie einem Ruf an die Universität Zürich folgte, gönnt sie
sich Besuche in Köln zu Karneval. In ihren rheinischen Jahren
gesellten sich Gründungs- und Mittelstandsökonomie zu den
personal- und bildungsökonomischen Fragestellungen. Auch
hier spielen für die Forscherin Empirie, wissenschaftliche
Validität und die Relevanz für die Praxis eine entscheidende
Rolle. Professorin Backes-Gellner zog in den Vorstand des In-
stituts für Mittelstandsforschung in Bonn ein – und ist seitdem
gefragtes Mitglied praxisnaher Gremien. In der Bildungspoli-
tik und im Personalmanagement sieht sie Stellschrauben zur
Überwindung des Fachkräftemangels.
Backes-Gellner: „Die im Beruf erworbenen Kompetenzen
sollten beim Aufstieg formal anerkannt werden.“ Durchläs-
sigkeit ist gefragt. „In Deutschland müssen unterschiedliche
Bildungsarten stärker gewürdigt werden“, sagt die Professorin.
Eine "Oben-unten-Denke" bringe nicht weiter. Schließlich seien
auch nicht alle Akademiker gleichermaßen qualifiziert. Backes-
Gellner: „Es geht nicht um Gleichmacherei, sondern darum,
das individuelle Potenzial aller Erwerbspersonen, insbesonde-
re auch der Frauen, zu nutzen um unseren Lebensstandard zu
erhalten.“ An der Universität lehrt sie dies mit Verve. In der
Einführungsvorlesung zur Personalökonomie sind Rekrutie-
ren und Qualifizieren die Aspekte, die die künftigen Manager
als Quelle von Individualität und Vielfalt kennenlernen. „Wir
müssen Diversität in die Köpfe der jungen Leute bringen, auch
indem wir Vorbild sind“, sagt die 53-Jährige. In ihrem Institut
haben zwei Assistentinnen kleine Kinder – für die Chefin nur
eine Frage der kollegialen Arbeitsorganisation. „Man kann das
gut überleben“, so die Mutter eines erwachsenen Sohnes ganz
pragmatisch.
USCHI BACKES-GELLNER
BWL-Professorin für Allgemeine BWL
und Personalökonomie, Uni Zürich
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