Seite 46 - PERSONALquarterly_2013_03

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State of the art
_Alter und Produktivität
A
lternden Menschen wird generell eine merklich
nachlassende Produktivität nachgesagt. Die Gründe
hierfür liegen vermeintlich auf der Hand: Sowohl
das „Können“ – körperlich wie geistig – als auch das
„Wollen“ – Motivation und Einstellung – sind nicht mehr zu
vergleichen mit denen von Jüngeren! Beinahe eine Volksweis-
heit. In der gleichen Richtung, aber präziser und greifbarer,
findet sich ein Phänomen in der Arbeitswelt: Personalverant-
wortliche in deutschen Unternehmen konstatieren, dass ältere
Mitarbeiter ihren jüngeren Kollegen im Hinblick auf wichtige
Voraussetzungen für ihre Produktivität deutlich unterlegen
sind: Ihrer Ansicht nach sind ältere Kollegen weniger lernfä-
hig, weniger lernbereit, weniger körperlich belastbar, weniger
flexibel und weniger kreativ (Benz, 2010; Boockmann/Zwick,
2004). Im Kontrast hierzu schreiben sie ihnen positive Eigen-
schaften zu wie mehr Erfahrungswissen, höhere Loyalität,
Arbeitsmoral und Qualitätsbewusstsein. Deutsche Personal-
verantwortliche stehen hiermit keineswegs alleine. Die Aus-
wertung von insgesamt 117 wissenschaftlichen Artikeln und
Büchern, die sich mit Altersstereotypen am Arbeitsplatz aus-
einandersetzen, kommt zu einem deckungsgleichen Ergebnis
(Posthuma/Campion, 2009): Die drei amweitesten verbreiteten
Altersstereotype sind, dass ältere Mitarbeiter
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1. über geringere Fähigkeiten verfügen, weniger motiviert und
weniger produktiv sind (Stereotyp: schlechtere Leistungen),
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2. schwerer weiterzubilden, weniger anpassungsfähig, weni-
ger flexibel sind und sich Veränderungen stärker widerset-
zen (Stereotyp: änderungsresistent) und
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3. geringer lernfähig sind und folglich geringeres Entwick-
lungspotenzial aufweisen (Stereotyp: geringere Lernfähigkeit)
als ihre jüngeren Kollegen.
Die Autoren dieser Untersuchung finden allerdings kaum
wissenschaftlich haltbare Belege für diese sehr eingängigen
und immer wiederkehrenden Annahmen. Vielmehr sprechen
zahlreiche empirische Belege explizit dafür, dass die genann-
ten Stereotype keineswegs der Wirklichkeit entsprechen und
zu nachhaltigem Schaden für betroffene Individuen als auch
Unternehmen führen, wenn diese Stereotype von wichtigen,
personalentscheidenden Personengruppen (z. B. Personalver-
antwortlichen in Unternehmen) geteilt werden.
Verbreitete Altersstereotype lassen sich durch
wissenschaftliche Fakten widerlegen
Von
Dr. Jörg Korff
und
Prof. Dr. Torsten Biemann
(Universität Mannheim)
Diese Ausgangssituation nehmen wir hier zum Anlass, den
wissenschaftlichen Stand der Dinge imHinblick auf das Thema
„Alter und Produktivität“ zu beleuchten.
Alter erklärt keine Leistungsunterschiede
Nicht zuletzt fortschreitende strukturelle Veränderungen des
Arbeitsmarkts, die zu einer durchschnittlichen Alterung von
Belegschaften in Unternehmen zahlreicher westlicher Indus-
trieländer führen, haben das Interesse an möglichen Alters-
effekten auf Arbeitsleistungen in zurückliegenden Jahren
befeuert. Die insgesamt dritte und jüngste Meta-Analyse von
Ng und Feldman (2008) gibt einen besonders differenzierten
Überblick über insgesamt zehn unterschiedliche Dimensionen
von Arbeitsleistung und bestätigt hierbei die Kernaussagen
zweier vorangegangener Überblicksartikel, die etwa 20 Jah-
re früher erschienen waren (McEvoy/Cascio, 1989; Waldman/
Avolio, 1986). Die Autoren werden bei ihrem Überblick beson-
ders den Anforderungen gerecht, die daraus entstehen, dass
Arbeitsleistung auf sehr unterschiedliche Art definiert wie
auch unter Einbezug verschiedener Quellen gemessen werden
kann. Die vorliegende Studie berücksichtigt hierbei 1. aufga-
benbezogene Arbeitsleistungen, 2. Kreativität, 3. Leistungen in
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, 4. Arbeitsengagement,
das über die formale Arbeitsrolle hinausgeht (organizational
citizenship behaviour), 5. Arbeitssicherheitsverhalten, 6. kon-
traproduktives/deviantes Arbeitsverhalten, 7. Aggression am
Arbeitsplatz, 8. Drogenmissbrauch am Arbeitsplatz, 9. Un-
pünktlichkeit/Säumigkeit und 10. Absentismus.
Außerdem werden die verfügbaren Resultate wissenschaft-
licher Untersuchungen getrennt nach Erhebungsquellen wieder-
gegeben. Zu unterscheiden sind hierbei objektive Maße (z. B.
Stückzahlen, Geschwindigkeit, Fehler), Fremdbewertungen
­(z. B. durch Vorgesetzte, Kollegen, Kunden) und Selbstbewer-
tungen, die vergleichsweise am stärksten anfällig sind für syste-
matische Verzerrungen bedingt durch bekannte psychologische
Phänomene wie beispielsweise soziale Erwünschtheit oder
selbstwertförderliche Attributionsmuster (siehe Abb.1).
Die wissenschaftliche Befundlage ergibt ein eindeutiges Bild.
Übergreifend trägt Alter nicht wesentlich zur Erklärung von
Leistungsunterschieden bei. Die Effekte sind durchgängig nicht