Seite 30 - PERSONALquarterly_2012_04

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Schwerpunkt
_evidence-based management
schiedliche Vorstellungen davon haben, was im Einzelfall unter
„semi-autonomer Gruppenarbeit“ oder unter einer „erfolgsab-
hängigen Entlohnung“ zu verstehen ist. Bei Daten aus einem
einzigen Unternehmen wird man demgegenüber davon aus-
gehen können, dass die (Personal-) Verantwortlichen in allen
Abteilungen bzw. an allen Standorten bei der Einführung eines
neuen bzw. der Modifikation eines bereits etablierten Instru-
ments eine ähnliche Vorgehensweise wählen und das Instru-
ment in der gleichen Art und Weise implementieren werden.
Hinzu kommt, dass sich mithilfe detaillierter Informationen
aus einem oder einigen wenigen Unternehmen die Frage nach
Ursache und Wirkung einer (Personal-)Maßnahme sehr viel
besser beantworten lässt als dies mit Daten aus einer Reprä-
sentativerhebung möglich ist: Wenn man beispielsweise be-
obachtet, dass die Profitabilität von Unternehmen, die ihren
Beschäftigten einen Gruppenbonus zahlen, höher ist als von
solchen ohne diese Form der Anreizentlohnung, dann liegt bei
vordergründiger Betrachtung der Schluss nahe, dass die aus-
gelobte Bonuszahlung die Mitarbeiter zur Wahl eines höheren
Anstrengungsniveaus veranlasst hat. Gleichermaßen plausibel
ist aber die umgekehrte Kausalität: In profitablen Unterneh-
men ist die Bereitschaft des Managements, Bonuszahlungen
an die Belegschaft auszuschütten, deutlich höher als in unpro-
fitablen Unternehmen. Daraus folgt, dass man bei der Umset-
zung scheinbar gut begründeter Handlungsempfehlungen so
lange Zurückhaltung walten lassen sollte, bis die Frage nach
Ursache und Wirkung eindeutig geklärt ist.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Projekte wie die
am Institut für Arbeit und Personalmanagement der Volkswa-
gen AG durchgeführten empirische Analysen mit repräsen-
tativen Längsschnittinformationen über eine große Zahl an
Unternehmen nicht ersetzen, wohl aber auf eine sehr produk-
tive Art und Weise ergänzen. Sie sind damit bereits heute von
einer ganz erheblichen Bedeutung nicht nur für die praktische
Personalarbeit, sondern auch für die personal- und organisati-
onsökonomische Forschung.
Zusammenfassung und Implikationen
Ein für die betriebliche Praxis relevantes evidenzbasiertes Hu-
man-Resource-Management ist ohne umfassende Längsschnitt­
informationen „aus dem Alltag“ nicht denkbar. Obgleich beide
Seiten – Praxis wie Wissenschaft – ohne jeden Zweifel von
einer umfassenden Zusammenarbeit profitieren würden, ist
die Bereitschaft deutscher Unternehmen, entsprechend aus-
gewiesenen Wissenschaftlern den Zugang zu „ihren“ Daten zu
ermöglichen, bislang nicht sehr groß.
In diesem Sinne ist zu hoffen, dass die am Institut für Arbeit
und Personalmanagement der Volkswagen AG initiierten For-
schungsprojekte als Beispiele dafür dienen, dass durch eine
umfassende Zusammenarbeit tatsächlich eine „Win-win-Situa­
tion“ entstehen kann.
lichen Überlegung Rechnung, dass Menschen im Privat- wie im
Berufsleben typischerweise strategisch agieren und deshalb
in Befragungssituationen wohl auch strategisch argumentie-
ren. Mit anderen Worten: Nutzenmaximierende Individuen
werden im Rahmen von Befragungen ihre „wahren“ Motive
und Intentionen oftmals verbergen und stattdessen „politisch
korrekt“ und/oder „sozial erwünscht“ antworten. Unter diesen
Bedingungen erweist es sich oftmals als sinnvoll, Menschen
nicht nach ihren Situationsdeutungen und Motiven zu fragen,
sondern aus den beobachtbaren Verhaltensweisen auf die den
getroffenen Entscheidungen mutmaßlich zugrunde liegenden
Intentionen zurückzuschließen. Mit anderenWorten: Nicht nur
aus Kostengründen sollte das Instrument der (Mitarbeiter-)
Befragung eher zurückhaltend eingesetzt werden.
Datenschutzprobleme sind relevant aber lösbar
Selbstverständlich müssen sämtliche Projekte, die auf prozess­
produzierte Personaldaten zurückgreifen, zu jeder Zeit und
in vollem Umfang den hierzulande geltenden datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen Rechnung tragen. Diese können
– dies sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – zumindest
in Einzelfällen zu erheblichen Problemen führen, die jedoch
durch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Beteiligten
(Personalmanagement, Betriebsrat, Datenschutzbeauftragte
und Forscher) zu lösen sein sollten. Wenn die von der Perso-
nalverwaltung erhobenen Daten für Forschungszwecke ver-
wendet werden sollen, liegt stets eine Zweckänderung vor, für
die entweder die Zustimmung jedes einzelnen Beschäftigten
erforderlich ist oder aber eine Aggregation der Individualin-
formationen erforderlich wird, die ihrerseits die nachträgliche
Identifikation einzelner Arbeitnehmer zuverlässig ausschließt.
Direkter Erkenntnisgewinn für beteiligte Unternehmen
Abgesehen von den in aller Regel lösbaren datenschutzrecht-
lichen Problemen sind Projekte wie die von uns am Institut für
Arbeit und Personalmanagement der Volkswagen AG durch-
geführten mit einer weiteren Schwierigkeit behaftet. Diese be-
trifft aber nicht die beteiligten Personalpraktiker, die wertvolle
Informationen für die betriebliche Optimierung gewinnen, son-
dern die kooperierenden Forscher und interessierte Personal-
praktiker anderer Unternehmen: Die ermittelten empirischen
Befunde sind selbstverständlich nicht generalisierbar; ihr An-
wendungsbereich ist im Extremfall auf ein einziges (Groß-)
Unternehmen beschränkt.
Diesem offenkundigen Nachteil steht aber ein im Allgemei-
nen unterschätzter Vorteil gegenüber. Die im Rahmen reprä-
sentativer Betriebsbefragungen erhobenen Informationen,
beispielsweise zu der Einführung semi-autonomer Gruppenar-
beit oder der Implementierung einer wie auch immer gearteten
erfolgsabhängigen Entlohnung, können niemals dem Umstand
Rechnung tragen, dass die antwortenden Personen sehr unter-