Seite 28 - PERSONALquarterly_2012_04

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personalquarterly 04 / 12
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Schwerpunkt
_evidence-based management
S
eit der Veröffentlichung der mittlerweile zu „Klassi-
kern“ der Personal- und Organisationsökonomie avan-
cierten Arbeiten von Ichniowski, Shaw und Prennushi
(1997) und Lazear (2000) hat im angelsächsischen
Sprachraum die Zahl an Analysen der wirtschaftlichen Fol-
gen unterschiedlicher personal- und beschäftigungspolitischer
Maßnahmen und Praktiken mithilfe detaillierter Längsschnitt­
informationen aus einem einzigen (oder einigen wenigen)
Unternehmen ganz erheblich zugenommen (für einen syste-
matisierenden Überblick vgl. Bloom/van Reenen, 2010; Ichni-
owski/Shaw, 2009; Lazear/Shaw, 2007; Shaw 2009).
Bedauerlicherweise hinkt die Entwicklung hierzulande der
in den USA wieder einmal hinterher, denn bislang wurden
keine vergleichbaren Arbeiten mit Daten aus deutschen Un-
ternehmen publiziert. Eine Ausnahme ist die Studie von Frick,
Götzen und Simmons (2012), in der mit Monatsdaten über
einen Zeitraum von mehr als acht Jahren der Einfluss der Ein-
führung semi-autonomer Gruppenarbeit und eines Teambonus
auf die wirtschaftliche Performance (Ausbringungsmenge und
Maschinenlaufzeiten) sowie die Fehlzeiten und Arbeitsunfälle
von mehr als 20 Teams in einem großen deutschen Stahlunter-
nehmen untersucht wird.
Intensive Zusammenarbeit: Das Beispiel Volkswagen
Es bleibt zu hoffen, dass die genannten Publikationen zahl-
reiche (Personal-) Praktiker dazu veranlassen, die Zusammen-
arbeit mit einschlägig arbeitenden Forschern an den deutschen
Universitäten zu intensivieren und damit dem Beispiel der
Volkswagen AG zu folgen, an deren „Institut für Arbeit und
Personalmanagement“ seit dem Frühjahr 2011 mehrere em-
pirische Projekte durchgeführt werden, die als „Bausteine“
eines evidenzbasierten Human-Resource-Managements gelten
können, weil sie eine Vielzahl theoretisch wie praktisch glei-
chermaßen relevanter Fragen thematisieren.
Die im Folgenden dargestellten Projekte sind repräsentativ
für unsere Arbeitsweise (d. h. die Kombination von theoriege-
leiteter – überwiegend mikroökonomisch inspirierter – Hy-
pothesenbildung und (panel-)ökonometrischer Analyse) und
sollen zugleich das Potenzial dieses Typs von angewandter For-
schung für betriebliche Personal- und Organisationsentschei-
dungen deutlich machen. Einschränkend sei an dieser Stelle
aber darauf hingewiesen, dass sich alle skizzierten Projekte
aufgrund ihrer recht kurzen Laufzeit noch in einem vergleichs-
weise frühen Stadium befinden. Dennoch können bereits erste
Ergebnisse skizziert werden, die die Fruchtbarkeit der Koope-
ration belegen.
Arbeitgeberattraktivität und Team-Performance
Im Rahmen dieses Projekts haben wir die Mitglieder von rund
300 repräsentativ ausgewählten organisatorischen Einheiten
(n > 6.000) des Unternehmens an vier verschiedenen Standor-
ten um ihre Einschätzung der Attraktivität und der Reputation
ihres Arbeitgebers gebeten. Mithilfe geeigneter statistischer
Verfahren haben wir zunächst die auf 50 Statements basie-
renden Individualinformationen zu plausibel interpretierbaren
Faktoren zusammengefasst, die anschließend als erklärende
Variablen in verschiedenen Regressionsmodellen verwendet
wurden. Mit diesen konnten die individuelle Arbeitsmotivation
und die auf Ebene der organisatorischen Einheiten aggregier-
ten Fehlzeiten erklärt werden.
Dabei zeigt sich, dass
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eine als „interessant“ eingeschätzte Tätigkeit den stärks­
ten Einfluss auf die Arbeitsmotivation hat, gefolgt von den
persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten, der Arbeitsbelas­
tung, der Beschäftigungssicherheit und dem Produkt- bzw.
Firmenimage. Von deutlich geringerer Bedeutung sind das
Betriebsklima und die Entlohnung,
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die Arbeitsmotivation wiederum einen statistisch signifi-
kanten Einfluss auf die Fehlzeiten in den organisatorischen
Einheiten hat: Je höher die Arbeitsmotivation der Beschäf-
tigten in einer Organisationseinheit, desto niedriger die
Fehlzeiten. Der letztgenannte Befund kann beispielsweise
genutzt werden, um punktuelle Interventionen vornehmen
zu können, die sehr viel weniger Ressourcen erfordern als
Maßnahmen, die nach dem Gießkannenprinzip vorgenom-
men werden.
Schichtplanumstellungen und Fehlzeiten
Umdie an zahlreichen Standorten desUnternehmens geplanten
Änderungen in den Schichtsystemen besser vorbereiten zu
Win-win durch Kooperationen zwischen
Unternehmen und Hochschulforschung
Von
Prof. Dr. Bernd Frick
(Universität Paderborn)