personalquarterly 04 / 12
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Schwerpunkt
_EVIDENCE-BASED MANAGEMENT
K
ann das praktische Personalmanagement von empi-
rischen Forschungsergebnissen profitieren? Unsere
These ist, dass Forschungsergebnisse der moder-
nen empirischen Personalforschung zur wichtigen
Ressource neben Expertenmeinungen, Rat von Kollegen oder
eigenen Erfahrungen werden sollten, um falscher Mythenbil-
dung vorzubeugen. Wir beginnen mit einem aktuellen Beispiel,
der Diskussion über geschlechtergemischte Teams, um den
konkreten Nutzen von Forschungsergebnissen aufzuzeigen.
Wir erläutern anschließend, warum empirische Studien heute
höhere Relevanz für die praktische Personalarbeit haben als
dies wahrscheinlich in der Vergangenheit der Fall war. Darauf
aufbauend beschreiben wir, was unter wissenschaftlich abge-
sicherten Fakten zu verstehen ist. Abschließend zeigen wir
praktische Wege auf zur effektiven Nutzung der wissenschaft-
lichen Literatur und wann sich der Rückgriff besonders lohnt.
Forschungsbeispiel „Geschlechtergemischte Teams“
In der personalwirtschaftlichen Diskussion um Vor- und Nach-
teile geschlechtergemischter Teams melden sich häufig erfah-
rene Top-Manager zu Wort. Exemplarisch sei auf ein Interview
Bezug genommen, das Liz Mohn bei der Veröffentlichung ihrer
Autobiografie gegenüber ZeitOnline gegeben hat:
ZEIT: „Frauen nehmen in der Wirtschaft heute vermehrt Spit-
zenpositionen ein. Hat das die Führung schon verändert? Die
Ausübung von Macht?“
Mohn: „Ja. Es entsteht eine andere Atmosphäre in der Zusam-
menarbeit. Das spürt man sofort.“
(…) ZEIT: „Sie schreiben, dass gemischte Teams zu besseren
Entscheidungen kommen.“
Mohn: „Zu einem abgewogeneren Urteil. Deshalb sind Unter-
nehmen, in denen Männer und Frauen gemeinsam führen,
erfolgreicher (o. V., 2011).“
Ähnliche Statements zur Vorteilhaftigkeit geschlechterge-
mischter Teams sind von (Personal-)Vorständen immer wieder
zu hören. ZeitOnline verweist am 18.1.2012 unter der Über-
schrift „Frauen im Vorstand versprechen Erfolg“ auf eine
entsprechende Studie des Beratungsunternehmens Ernst &
Young, verbreiteter ist die Hinterlegung durch die McKinsey
Studie „Women Matter“.
Korrelation bedeutet nicht Kausalität
Die Tatsache, dass man aus einer Korrelation nicht auf Kausali-
tät schließen sollte, ist fast schon zur Binsenweisheit geworden.
Die McKinsey Studie „Women Matter“ von 2007 zeigt beispiels-
weise eine signifikante Korrelation zwischen dem Frauenanteil
in Topmanagementpositionen und dem Unternehmenserfolg.
Obwohl die Autoren selbst einräumen, dass sie keine Kausal-
beziehung zeigen, wird die Studie in der öffentlichen Debatte
immer wieder angeführt, um die Aussage zu stützen, dass ge-
schlechtergemischte Teams effektiver sind.
Tatsächlich ist der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis,
dass Geschlechterdiversität im Gegensatz zu z. B. funktionaler
Diversität keinen Einfluss auf den Teamerfolg hat (z. B. Meta-
Studie von Bell et al., 2011). Der Einfluss auf den Unterneh-
menserfolg ist schwerer zu messen, auf Basis der vorliegenden
wissenschaftlichen Studien ist jedoch auch hier kein positiver
Zusammenhang mit der Geschlechterdiversität festzustellen
(Adams/Ferreira, 2009).
Wissenschaftliche Studien finden wenig Beachtung
Im praktischen Personalmanagement finden wissenschaft-
liche Studien in der Regel zu wenig Beachtung. Sara Rynes
untersuchte schon vor ca. zehn Jahren in den USA gemeinsam
mit Kollegen das Informationsverhalten von Personalmana-
gern: Personalmanager informieren sich überwiegend bei
ihren Kollegen innerhalb und außerhalb des Unternehmens
und stehen kaum in Verbindung mit Personalforschern (siehe
Abb. 1).
Das gleiche Bild zeigt sich auch jenseits persönlicher Kon-
takte bei der Verwendung unterschiedlicher Publikationen: Es
dominierenWirtschaftszeitungen und Praktikerfachzeitschrif-
ten gegenüber wissenschaftlichen Journalen, die weitgehend
nicht wahrgenommen werden. Diese Vernachlässigung wis-
senschaftlicher Studien hat sicherlich etwas damit zu tun, dass
Personalmanager in der Vergangenheit enttäuscht waren, wie
wenig praxisrelevante Informationen wissenschaftliche Stu-
dien beinhalten. Das Beispiel zur Geschlechterdiversität zeigt
schon den unmittelbaren praktischen Nutzen. Jenseits dieses
Beispiels führen aus unserer Sicht unterschiedliche Entwick-
lungen innerhalb der personalwirtschaftlichen Forschung zu
Auf gesicherte empirische Fakten setzen,
statt auf Mythen vertrauen
Von
Prof. Dr. Torsten Biemann
,
Prof. Dr. Dirk Sliwka
(Universität zu Köln) und
Prof. Dr. Heiko Weckmüller
(FOM Bonn)