Immobilienwirtschaft 09/2016 - page 68

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
DIGITALISIERUNG
Offene Systeme gesucht
Foto: GdW
Momentan geht es beim Thema Digitalisierung vordergründig häufig um die Frage
der Technik. Aber im Kern steckt eigentlich etwas anderes dahinter. Es geht um unsere
Fähigkeit zur Innovation und um unsere Innovationsbereitschaft.
DIE BRÜCHE IN DER ARBEITSWELT WERDEN GR0SS SEIN.
Die Frage ist, wie diese krasse
Entwicklung abgepuffert werden kann, ohne dass es zu gesellschaftlichen Disruptionen
kommt. Es geht aber auch darum, wie viele Menschen sich künftig welche Form des
Wohnens noch werden leisten können.
Das einzige Risiko, das eine richtig verstandene Digitalisierung für die Wohnungs-
wirtschaft bereithält, ist, dass die Wohnungswirtschaft ihre Chance nicht rechtzeitig
und damit imZweifel gar nicht mehr selber nutzen kann. Unternehmen werden deshalb
nicht den Luxus haben abzuwarten. Eine fundierte Strategie in Kenntnis ihrer jeweiligen
Chancen und Risiken ist somit auch in der Wohnungswirtschaft unumgänglich. So
könnten zum Beispiel quasimonopolisierte Vermietungsportale mit einer Bewertungs-
funktion über denVermieter und einer Deutungshoheit über dasMarktgeschehen durch
den Dateninhaber dem Vermietungsgeschäft eine völlig neue Richtung geben. Dies ist
für uns kein Zukunftsthema, sondern aktuell in unseren Beobachtungen und unserem
strategischen Handeln ein wesentlicher Punkt. Wir werden niemanden weiter stärken,
der diesen Weg geht. Auch aus diesem Grund hat der GdW die bisherige Kooperation
mit dem Immobilienportal Immoscout inzwischen beendet.
In einer vermeintlich noch ruhigen Phase für die Wohnungswirtschaft ringen viele
um die eigene Orientierung: Müssen wir denn auf alle neuen Entwicklungen drauf-
springen? Ist das andere, das Neue wirklich besser? Und wenn ja – wann ist der richtige
Zeitpunkt dafür?
Ein klares persönliches Bekenntnis: Ich glaube nicht daran, dass wir eine „digitale
Transformation“ als Selbstzweck brauchen. Müll bleibt auch digital Müll. Undmanchmal
erzeugt das Digitale sogar Extramüll. Reduzieren wir deshalb Digitalisierung auf das,
was sie ist: ein schlichtes Werkzeug. Aber eben das Werkzeug der Zukunft. Geradezu
brutal wegweisend hierzu das Zitat des neuen Bitkom-Chefs und Vorstandsvorsitzen-
den des Mobilfunkanbieters Telefónica, Thorsten Dirks: „Wenn Sie einen Scheißprozess
digitalisieren, dann haben Sie einen scheiß digitalen Prozess.“ Erste Lehre: Wir müssen
„Gatekeeper von morgen
wollen mit ihren Apps
geschlossene Ökosysteme
kreieren, in denen An-
bieter von Services nach
zentral definierten Spiel-
regeln vorkommen dürfen
– oder auch nicht. Neben-
einander stehende Web-
sites gehört in dieser Welt
der Vergangenheit an.“
Wir müssen mit Daten umgehen lernen und brauchen die
Hoheit an ihnen. Wenn quasimonopolisierte Vermietungs-
portale mit Daten der Wohnungswirtschaft den Markt in
eigener Hoheit deuten, stärken wir diese nicht. Deshalb
kooperieren wir nicht mehr mit Immobilienscout 24.
Kommentar
Axel Gedaschko
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