Seite 12 - Immobilienwirtschaft_2014_07-08

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Markt & Politik
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interview
oder siebten Asta-Vorsitzenden. Da ist es
fast naturgegeben, dass sich der eine oder
andere errungene Konsens auflöst und
man von vorne beginnt.
Wie großgeschrieben wird das Thema
Bürgerbeteiligung denn in Freiburg?
Sehr groß. Wir sind aber, wie viele andere
Städte auch, noch ein Stück weit unsicher,
wie wir damit inZukunft umgehenwollen.
Das gilt genauso für Projektentwickler.
Wie kommt‘s?
Einige Gruppen in unserer
Gesellschaft sind doch sehr besitzstands-
orientiert und mögen keine Verände-
rungen. Oftmals können sich gerade diese
Gruppen auch sehr gut und stark artiku-
lieren. Dies stellt uns vor die Herausforde-
rung, wie wir die Notwendigkeit von Ver-
änderungen und deren Mehrwert für die
Stadtgesellschaft zukünftig noch besser
kommunizieren können. Da ergeben sich
natürlich auch immer wieder Konstellati-
onen, die uns keine Freude machen. Aber
natürlich ist Bürgerbeteiligung wichtig
und richtig ...
In jedem Fall?
Ich sehe vor allem eine
Einschränkung. Beteiligung darf bei Bau-
projekten nicht dazu führen, dass nur die
unmittelbaren Nachbarn am Ende ent-
scheiden, was passiert. Die Entscheidung
ist und bleibt das Recht des gewählten
Gremiums. Der Gemeinderat muss die
Belange der Nachbarschaft mit dem Inte-
resse des Allgemeinwohls abwägen.
Warum ist Bürgerbeteiligung in Freiburg
eigentlich so populär?
Dass das in Frei-
burg so intensiv eingefordert wird, hat si-
cher auch etwas mit der Bevölkerung hier
zu tun. Die Bürgerschaft ist akademisch
gebildet, an der Stadt interessiert und er-
wartet Mitsprache bei der Stadtentwick-
lung. Es ist ja auch für die Außenwirkung
wichtig: Tatsächlich hatte Freiburg vorher
schon ein bestimmtes Image. Die inten-
Herr Prof. Haag, wenn ich Sie nachts auf-
wecke und auf die Herausforderungen
beim Thema Bauen anspreche, was
würden Sie zuerst nennen?
Die riesigen
Vorläufe, die dem deutschen Planungs-
recht geschuldet sind. Einerseits ist es ja
gut, dass sorgfältiges und abgewogenes
Arbeiten eingefordert wird. Andererseits
ist es ein Problem in Deutschland, dass
gerade die großen Infrastrukturprojekte
einen so langen Vorlauf haben. Für uns
wäre es wichtig, dass sich Bundes- und
Landespolitik Gedanken darüber ma-
chen, wie man Rahmenbedingungen da-
für schafft, dass hier in Deutschland auch
Gefordert: Die große Vernetzung
„Es müsste grundlegend
die Frage geklärt werden:
Wie vernetze ich gerade bei
großen Infrastrukturprojekten
die Handlungsebenen Bund,
Land und Kommune?“ Der
Freiburger Baubürgermeister
Martin Haag
über Großpro-
jekte, neue Stadtteile und
die Grenzen der Bürgerbe-
teiligung.
große Infrastruktur- und andere Baupro-
jekte wieder in einem einigermaßen über-
schaubaren Zeitrahmen laufen können.
Ich denke an den Freiburger Stadttunnel
auf dessen Realisierung wir noch war-
tenmüssen. Auch die B 31 hat mindestens
15 Jahre gedauert. Die Frage ist schon, wie
lange wir es uns noch leisten können, dass
solche Projekte so lange brauchen. Aus
meiner Sicht müsste mal grundlegend fol-
gende Frage geklärt werden: „Wie vernetze
ich gerade bei großen Infrastrukturpro-
jekten die Handlungsebenen Bund, Land
und Kommune?“
Haben Sie Beispiele von Ländern, in
denen so etwas schneller läuft?
In
manchen Ländern in Asien, aber auch
in einigen europäischen Ländern geht
es allerdings schneller. Man sollte sich
das mal ansehen, was man daraus lernen
kann. Allerdings ohne auf demokratische
Grundrechte zu verzichten.
Aber Planungsrecht wirkt auch konflikt-
minimierend und akzeptanzsteigernd
Das stimmt, und das ist auch enorm
wichtig. Daraus kommen neue Anfor-
derungen, wie die intensive Bürgerbe-
teiligung und Abstimmung im Vorfeld.
Aber es wirkt natürlich auch nicht gerade
beschleunigend. Im Laufe der Zeit gehen
oft mehrere Generationen von Kommu-
nalpolitikern, Bürgerinnen und Bürgern
über so ein Projekt. Und alle habenmögli-
cherweise eine unterschiedliche Meinung
dazu.
Haben Sie ein Beispiel?
Ja, direkt in un-
serer Innenstadt: den Platz der Alten Sy-
nagoge an der Universität. Hier stimmen
wir uns natürlichmit der Universität ab. In
der Planungszeit von nunmehr über zehn
Jahren gab es bei uns schon drei Bauver-
antwortliche und bei der Universität zwei
Rektoren, zwei Kanzler und den sechsten