05 | 2013
Im vergangenen Jahr hat unser Haus als Fazit einer Studie fest-
gestellt: Die Asset-Klasse Problemimmobilien, auch Distressed
Real Estate genannt, ist im deutschen Markt angekommen.
Gemeint ist damit nicht nur die Immobilie, die keine Erträge
mehr abwirft, sondern auch der dahinter liegende Kredit, der
das Problemelement darstellen könnte. Häufig kommen die
Probleme aus der Immobilie und aus der Finanzierung oder,
besser gesagt, aus einer zu ehrgeizigen Planung: Insbesondere
Finanzierungen mit einem hohen Leverage können bei Nicht-
erreichung erwarteter Mieten oder nicht geplanten, aber not-
wendigen Investitionen nicht mehr vollständig bedient werden.
Nun ist das Jahr 2012 sicherlich nicht das Jahr der lei-
stungsgestörten Immobilie gewesen. Aber seit 2012 haben
wir – zusätzlich zu den laufend durchgeführten sogenannten
Single-Transaktionen – einige bedeutende Portfoliotransakti-
onen im Distressed-Segment beobachtet. Das Verständnis für
das zumindest in Deutschland noch junge Marktsegment ist im
vergangenen Jahr 2012 gewachsen und in diesem Jahr trägt der
Markt bereits deutliche Früchte. Den vorläufigen Höhepunkt
erwarten wir aber wohl erst 2014. Distressed Real Estate ist als
Thema angekommen und es wird uns eine Weile begleiten. Es
wird kein Kurzfristphänomen sein.
Die Gründe sind allgemein bekannt: Es stehen auf breiter
Front Refinanzierungen an und die Banken agieren weiter-
hin eher restriktiv in der Immobilienkreditvergabe. Finanzie-
rungen gibt es weiterhin – aber eben nur mit einer markanten
Eigenkapitalquote. Diese können internationale Opportunity-
und Private-Equity-Fonds sowie Family Offices – sie werden
als potenzielle Käufer für Distressed Assets gesehen – leisten,
aber die Rendite oder besser das Potenzial muss stimmen. Die
Interessenten von Distressed Assets legen ihren Kaufentschei-
dungen nicht schlicht eine Rendite, sondern stets (auch) eine
Einschätzung des Potenzials der Immobilie zugrunde.
Das Angebot notleidender Immobilien und der dahinter
liegenden Kredite wird sich in diesem und im kommenden
Das Langfristphänomen
Verkauf notleidender Immobilien.
Das Thema bleibt bis 2014 wichtig. Unter
kriselnden Rahmenbedingungen stehen Refinanzierungen in großem Stil an.
Manche drohen zu scheitern. Wird das Distressed-Segment wachsen? Wenn ja:
Wie groß kann das Wachstum sein? Oder setzen sich andere Lösungen durch?
Jahr ausweiten und der zurzeit ohnehin sehr aktive Immobi-
lienmarkt wird zusätzliche Nachfrager anlocken. Dabei wird
Deutschland in vielen Fällen nur ein Bestandteil räumlich
diversifizierter Strategien sein – wir werden Fonds sehen,
die sich europaweit auf die Suche nach vielversprechenden
Distressed Assets begeben. Hierbei werden die sicheren Häfen
wie Deutschland, Großbritannien oder auch Skandinavien eine
bedeutende Rolle spielen.
Auch hinsichtlich der Nutzungsarten dürften sich diver-
sifizierte Strategien anbieten. Denn die bisherige Vermutung
vieler Marktteilnehmer, dass vor allem Büroimmobilien für
Distressed-Transaktionen infrage kämen, hat sich nur teilwei-
se bewahrheitet. Längst haben sich auch Distressed-Gelegen-
heiten im vermeintlich boomenden deutschen Wohnimmobili-
enmarkt ergeben, die sich in Transaktionen manifestiert haben.
Bedeutung des Asset Management
Voraussetzung für diversifizierte Strategien ist allerdings, dass
das jeweilige Asset Management die unterschiedlichen Gebäu-
dearten gleichermaßen beherrscht – und zu einer erfolgreichen
Repositionierung führen kann. Dabei ist es eine ebenso simple
wie wichtige Tatsache: Es ist zwingend erforderlich, die Ursa-
chen für die Schieflage einer Immobilie oder eines Portfolios
zu erkennen. Und es ist erforderlich, eine transparente Planung
über die erwartete Entwicklung aufzustellen, die die Effekte aus
den durchzuführenden Restrukturierungsmaßnahmen aus-
weist.
Schließlich spricht ein weiterer Aspekt für ein Wachstum
des Distressed-Segments in Deutschland: In Einzelfällen ist
die Bereitschaft der Banken zu beobachten, auf einen Teil ih-
rer Forderungen zu verzichten. Auf zwischen zehn bis 20 Pro-
zent schätzen die Teilnehmer der eingangs genannten Studie
den Anteil, auf den die Banken zum Verzicht bereit sind. Dies
könnte dem Markt zusätzlich Vorschub verleihen.
f
|
|
g
Titelthema
Achim Langrehr, Partner bei Ernst & Young Real Estate
21
Foto: LeArchitecto/shutterstock.com