12-01 I 2012
Warum
Manfred Gburek, Frankfurt am Main
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Vom Osten aus betrachtet, mit der Flö-
ßerbrücke im Vordergrund, wirkt die
Frankfurter Skyline, als sei sie immer
schon so geplant gewesen. Von wegen,
das krasse Gegenteil ist der Fall. Hoch-
hausrahmenplan hin oder her, die Stadt
mit der größten Wolkenkratzerdichte
Europas hat ihr Aussehen vielen Plänen,
architektonischen Moden wie auch Zu-
fällen zu verdanken. Und erst in Zukunft
wird sich zeigen, ob die zurzeit von der
Stadt favorisierte Cluster-Bildung, also
die Verdichtung des Stadtkerns, nicht
doch noch von der Zerfaserung abgelöst
wird, etwa über das Europaviertel hinaus
oder in Richtung Ostend.
Wie alles begann
Alles begann mit den amerikanischen
Besatzern, die nach dem 2. Weltkrieg
in der Mainmetropole ihr Hauptquar-
tier aufschlugen. Das hatte praktische
Gründe, denn die Stadt lag logistisch
günstig. Die Amis hatten alles andere im
Sinn, als den Deutschen ihre Architektur
vorzuschreiben. Aber dafür halfen sie,
nachdem nicht wie erwartet Frankfurt,
sondern Bonn mithilfe von Tricks des
ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauer
zur Hauptstadt der Bundesrepublik er-
koren worden war, mit, dass wenigstens
die Deutsche Bundesbank ihren Sitz in
Frankfurt bekam. Das war die Initialzün-
dung für den Zustrom von Banken und
damit für den Bau von Bürohäusern.
Den Anfang bildete das 1950 geneh-
migte, 1954 fertiggestellte, 69 Meter hohe
Fernmeldehochhaus mitten in der Stadt,
wo heute „Frankfurt Hoch Vier“ steht,
eine in der Spitze 120 Meter hohe Kom-
Eine Stadt im
Höhenrausch
Frankfurt.
Nirgendwo sonst in Europa trifft man auf eine solche
Hochhausdichte wie in Mainhattan. Warum, das ist eine lange Geschichte. Sie
begann mit der amerikanischen Besatzungsmacht und ihr Ausgang ist offen.
Hoch, höher, am höchsten!
Alles begann mit den
amerikanischen Besatzern.
Commerzbank-Hochhaus in der City
schon über 100 Meter in die Höhe. Sein
1997 fertiggestelltes Pendant markierte
einen Höhenrekord: Über 258 Meter,
damit gut zwei Meter höher als der nach
amerikanischen Vorbildern gebaute
Messeturm und gut 103 Meter höher als
die Zwillingstürme der Deutschen Bank.
2014 will die Europäische Zentral-
bank, jetzt auf drei Bürotürme in der
Innenstadt verteilt, ihr neues Hochhaus
im Ostend beziehen. Dessen Höhe von
185 Metern nimmt sich im Vergleich zur
Commerzbank und zum Messeturm be-
scheiden aus. Der Clou besteht aber da-
rin, dass die Entscheidung für das Ostend
die Hochhauszerfaserung fördert und so
der von der Stadt bevorzugten Cluster-
Bildung widerspricht. Was auch immer
daraus wird, es bleibt spannend.
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bination aus Büros, Hotel, Palais und an-
grenzendem Einkaufzentrum „My Zeil“.
Über den Standort und das Aussehen des
Fernmeldehochhauses entbrannte ein
Streit, dass es Jahre dauerte, bis man sich
darauf einigte, Hochhäuser nach ameri-
kanischem Vorbild zu bauen, ergänzt um
einen Tupfer der deutschen Moderne.
In der Höhe nach oben offen
Trotz aller Differenzen war anschließend
der Weg in der Höhe nach oben offen.
Das Zürich-Haus, wo heute der Opern-
turm steht, brachte es zu Beginn der 60er-
Jahre schon auf 70 Meter. Danach be-
gann der Höhenrausch. War vorher der
Dom mit seinen 97 Metern lange Zeit
das Maß aller Dinge, und höher zu bauen
als unanständig galt, so schoss das erste