Seite 48 - Immobilienwirtschaft_2012_06

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48 Kolumne
06 I 2012
Immobilieninvestment 101
Von Nico B. Rottke
An US-Universitäten steht das Kürzel „101“ für den ersten Kurs
eines Fachs – den Grundlagenkurs, der für das Verständnis des-
sen, was noch kommt, zwingend ist. Anspruchsvolle Modellbe-
rechnungen haben dazu geführt, dass einige Investoren nicht
mehr an die immobilienwirtschaftlichen Grundlagen denken,
sondern sich von Renditekennziffern oder Risikomanagement-
szenarien blenden lassen, deren Annahmen häufig nicht erfüllt
sind. Eine hohe interne Eigenkapitalverzinsung wird als „Frei-
brief “ respektive Investitionsentscheidung genutzt, doch sind
es immer noch die immobilienwirtschaftlichen Mechanismen,
die über den Erfolg eines Investments entscheiden.
Ähnliche Verhaltensmuster treten in der Immobilienwirt-
schaft regelmäßig in verschiedenen Varianten auf – die Im-
mobilienfalle des vermeintlich so (inflations)sicheren Beton-
golds klappt zu. Dies zeigen beispielsweise die derzeit starken
Überkäufe in vielen Wohnimmobilienmärkten. Doch schon
in vergangenen Zeiten ist dies nicht immer gelungen. So er-
warben vermögende Bevölkerungsgruppen in den 1990ern in
Ostdeutschland mit 50 Prozent „Sonderafa-Ost“ staatlich ge-
förderten Immobilienbesitz, um Steuern zu „sparen“. Dann fiel
der Mieter aus, darauf der Mietgarantiegeber, dann wurde den
Investoren die schlechte Substanz der Immobilie in schlechter
Lage bei fehlender Nachfrage bewusst. Am Ende hatten viele
Anleger Steuern bis zum Totalverlust der vollständigen Ab-
schreibung „gespart“. Und im schlimmsten Fall wurden diese
Verluste durch das Finanzamt nicht anerkannt.
Raum mit vierter Zeitdimension
Der US-Immobilienforscher James Graaskamp bezeichnete in
den 1970ern Immobilien als künstlich abgegrenzten, auf einen
Punkt der Erde referenzierten Raum mit einer vierten Zeitdi-
Prof. Dr. Nico B. Rottke
FRICS
hat einen
Lehrstuhl an der EBS Universität Wiesba-
den, eine Professur an der University of
Central Florida, Orlando, und leitet das EBS
Real Estate Management Institute.
Rottke on Real Estate
mension. Die Aufgabe der Immobilienindustrie sei es, Raum-
zeiteinheiten in Geldzeiteinheiten zu überführen. Immobili-
enanalysen seien nicht nur eine Aufgabe der Zahlenakrobatik.
Daher greift das inzwischen groteske Zitat von David Shulman,
Lehman Brothers, „Zeig mir nur die Zahlen – Händler müssen
nicht wirklich alles über die Immobilie wissen, die sie feilbie-
ten“, zu kurz.
Die wertbestimmenden Einflussgrößen für ein erfolg-
reiches Immobilieninvestment sind lage- und objektbezogen.
Finanz- und Steueroptimierungen sind erst der Folgeschritt.
Die Lage ist aufgrund ihrer Unveränderbarkeit der leitende Be-
stimmungsfaktor zusammen mit der physischen Substanz und
den Zahlungsströmen, die sich aus den Mietverträgen (und
den darunter liegenden Business-Modellen) und dem Veräu-
ßerungserlös ergibt. Ist nur ein einzelner Parameter suboptimal
oder nicht optimierfähig, sollte nicht investiert werden.
Externe Faktoren berücksichtigen
Hinzu kommen externe Faktoren: Es ist die Erwartung von In-
und Deflation zu nennen, ebenso sind es die Liquiditäts-, Zins-
und Währungsänderungsrisiken, die finanzwirtschaftlich auf
die Immobilienrendite aufsattelnd deren zweite Komponente
bilden. Hinzu kommt die lokale Wirtschaftskraft, beispielswei-
se die Entwicklung des Arbeitsmarkts oder die wirtschaftliche
Kapazitätsauslastung. Abschließend sind die Entwicklungen
von Immobilienzyklen und Spekulationsblasen zu nennen,
die einen Markt und damit Investoren in Abhängigkeit zu ih-
ren unterschiedlichen Investmentstrategien stark beeinflussen.
Werden die immobilienwirtschaftlichen Parameter als grund-
sätzliche Spielregeln und die skizzierten Rahmenbedingungen
berücksichtigt, können schwere Fehler vermieden werden.
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